Mordserie von Krankenpfleger: 24 neue Verdachtsfälle

Der Angeklagte Niels H. (Mitte) anno 2015
Der Angeklagte Niels H. (Mitte) anno 2015 APA/dpa/Ingo Wagner
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Ein wegen zweifachen Mordes an Patienten verurteilter Pfleger in Deutschland könnte mindestens 30 Kranke durch Gift getötet haben. Ermittelt wird durch Exhumierungen sogar in mehr als 200 Verdachtsfällen.

Bei ihren Ermittlungen zur Mordserie des früheren Krankenpflegers Niels H. sind die Ermittler in Norddeutschland bisher auf 24 weitere Verdachtsfälle gestoßen. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch im niedersächsischen Oldenburg in einem Zwischenbericht zu den seit längerem laufenden Exhumierungen mit.

Bei 24 Patienten sei der Wirkstoff des von H. für die Morde verwendeten Medikaments nachgewiesen worden, obwohl diese damit ärztlicherseits nicht behandelt worden seien, erklärten die Ermittler nach der Exhumierung und toxikologischen Untersuchung sterblicher Überreste von insgesamt 77 Menschen. Die Ergebnisse der Tests an weiteren sieben Körpern stünden derzeit noch aus.

Der unter anderem bereits wegen zweifachen Mords und drei Mordversuchen an schwerkranken Intensivpatienten zu lebenslanger Haft verurteilte Mann hatte während seines Prozesses im vergangenen Jahr ausgesagt, nach eigener Erinnerung zwischen 2003 und 2005 in einer Klinik in Delmenhorst bei Bremen insgesamt etwa 30 Patienten getötet zu haben. 2005 war er bei einer verdächtigen Injektion von einer Kollegin beobachtet und kurz darauf festgenommen worden. Seitdem sitzt er in Haft, inzwischen wurde er in zwei separaten Prozessen verurteilt.

Mehr als 200 Verdachtsfälle

Seit Bekanntwerden der Dimensionen der Tötungsserie prüft eine Sonderkommission aus Staatsanwaltschaft und Polizei namens "Soko Kardio" alle Sterbefälle während dessen Dienstzeit in verschiedenen Einrichtungen. Dabei durchforsten die Ermittler alte Krankenakten nach möglichen Hinweisen und exhumieren alle nicht feuerbestatteten verstorbenen Patienten aus den fraglichen Zeiträumen. Es geht um mehr als 200 (!) Fälle. Die systematischen Untersuchungen begannen 2015 und sollen noch viele Monate dauern.

H. hatte nach eigenen Angaben und anderen  Ermittlungserkenntnissen Dutzenden Patienten auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst heimlich ein hochwirksames Herzmittel injiziert, um bei ihnen lebensbedrohliche Zustände herbeizuführen und sie dann wiederzubeleben. H. zufolge starben insgesamt etwa 30 Menschen bei dieser Prozedur. Weitere Taten an anderen Arbeitsstellen gab es nach dessen Angaben nicht.

Wichtigtuerei als Motiv?

Das Motiv blieb bisher unklar. Die Richter des Oldenburger Landgerichts, die H. im Februar 2015 unter anderem wegen zweifachen Mords verurteilt hatten, kamen zu der Einschätzung, dass H. durch Wiederbelebungen vor Kollegen "glänzen" und sich einen "Kick" verschaffen wollte. Sie sprachen von Taten, in denen eine angstmachende "Unmenschlichkeit" zum Ausdruck komme.

Wegen der erst spät eingeleiteten systematischen Nachforschungen gerieten auch die Behörden in Kritik. Ein früher dafür zuständiger Ex-Staatsanwalt wurde zwischenzeitlich unter anderem wegen Strafvereitlung angeklagt. Gerichte lehnten einen Prozess aber mangels ausreichenden Tatverdachts ab. Der Jurist, der damals kurz vor einem Wechsel auf einen anderen Posten gestanden war, hatte die nötigen umfangreichen Ermittlungen absichtlich hinausgezögert, weil er sonst viel zu viel zu tun hatte, wie er angab.

(APA)

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