Statistik: Noch nie so wenig Lehrlinge

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Deutschland wollen viele Jugendliche lieber studieren. Auch in Österreich ist die Zahl der Lehrlinge im Vorjahr erneut gesunken.

Wien. In Deutschland und in Österreich klagen viele Firmen über einen Facharbeitermangel. Aber gleichzeitig gibt es immer weniger Lehrlinge. Das Statistische Bundesamt in Deutschland teilte am Mittwoch mit, dass noch nie so wenige junge Menschen mit einer Lehrausbildung begonnen haben. Im Vorjahr traten nur 516.200 Frauen und Männer eine duale Ausbildung an. Das sind um 0,4 Prozent weniger als 2014. Insgesamt befanden sich in Deutschland im Vorjahr 1,34 Millionen Jugendliche in einer dualen Ausbildung. Das ist ein Rückgang von 1,6 Prozent.

Als Grund nennt das Statistische Amt die demografische Entwicklung – die Zahl der Jugendlichen sinkt. Zudem wollen viele junge Menschen lieber studieren. So hat Deutschland derzeit doppelt so viele Studenten wie Lehrlinge. Immer wieder klagt die deutsche Industrie über eine Überakademisierung. Viele Studenten wären eigentlich in einer Berufsausbildung besser aufgehoben.

„Die Presse“ hat sich dazu die Zahlen in Österreich angesehen. Laut Wirtschaftskammer ist im Vorjahr die Zahl der Lehrlinge wieder deutlich zurückgegangen. Und zwar von 115.068 auf 109.963 Personen. Ähnlich wie in Deutschland ist bei uns der demografische Wandel spürbar. Hinzu kommen noch andere Gründe. Laut Wifo-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer konzentriert sich die Lehrlingsausbildung vor allem auf traditionelle Berufe und Branchen, wo es weniger Wachstumschancen gibt.

Mangelnde Flexibilität

Ein Großteil der Jugendlichen wählt aus nur wenigen Lehrberufen. Seit Jahrzehnten wollen Mädchen am häufigsten im Einzelhandel, als Bürokauffrau oder als Friseurin arbeiten. „Dabei wären in anderen Branchen und Berufen leichter Jobs zu finden – wie beispielsweise in der Pflege und Kinderbetreuung oder in der IT“, sagt Mahringer zur „Presse“. Hier könnten sowohl Beratung als auch attraktivere Berufsausbildungen und Beschäftigungsbedingungen zu einer Reorientierung beitragen.

Wie in Deutschland gibt es in Österreich den Trend, dass junge Menschen eine umfassende Basisausbildung erhalten sollen. „Bei Lehrberufen legen sich die Jugendlichen früh fest. Sollte dieser Beruf später einmal nicht mehr passen, ist ein Wechsel nicht so einfach. Daher streben viele Jugendliche gleich eine höhere Qualifikation an“, sagt Mahringer. Zudem führt das geringe Wirtschaftswachstum dazu, dass Betriebe tendenziell weniger Lehrlinge ausbilden. Manche Unternehmen klagen allerdings, dass es Bewerbern für eine Lehrstelle an sozialen Grundfertigkeiten mangelt. Umfragen zeigen auch, dass potenzielle Lehrlinge nicht einmal kleine Beträge im Kopf rechnen können. Beim Lesen und bei der Rechtschreibung sind ebenfalls Mängel feststellbar. „Hier ist das Bildungssystem gefordert“, sagt Mahringer. Seiner Ansicht nach sollten solche Bildungslücken möglichst früh erhoben werden.

Für die Betroffenen sollte es dann gezielte und individuelle Förderungen geben. Sonst haben die Jugendlichen nur einen schlechten Pflichtschulabschluss und finden keine Lehrstelle. Dann bleibt ihnen oft nur der Gang zum Arbeitsmarktservice übrig.

Gibt es in Österreich zu viele oder zu wenige Lehrstellen? „Die Presse“ hat dazu die Daten beim Arbeitsmarktservice angefordert. Demnach ist nur im Fremdenverkehr/Gastgewerbe (bei Berufen wie Köche und Kellner) ein Überschuss an Lehrstellen festzustellen. Dies hängt damit zusammen, dass viele Lehrstellen in Tourismusgebieten liegen und die Arbeitsbedingungen für Jugendliche nicht so attraktiv sind. Viele Eltern in Wien wollen außerdem nicht, dass etwa ihre 15-jährige Tochter nach Tirol zieht und dort im Tourismus arbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)

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