Parteibuch spielt bei "unabhängigen" Regulierern eine große Rolle

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Was der "gelernte Österreicher" schon lange weiß, wird jetzt auch durch eine Studie bestätigt: Regulierungsbehörden sind "politische Gebilde", in denen es nicht nur um Effizienz und Expertise geht.

Telekommunikation, Energieversorgung und der öffentliche Verkehr sind drei ehemals staatliche Monopole, die in den vergangenen 20 Jahren in vielen europäischen Ländern privatisiert wurden. Die Steuerungsfunktion des Staates übernahmen unabhängige, also außerhalb der staatlichen Bürokratie agierende, Regulierungsbehörden. In diesem Zusammenhang ist nun eine Annahme, die bereits für zahlreiche Debatten gesorgt hat, auch wissenschaftlich untermauert: Bei der Besetzung von Führungspositionen in unabhängigen Regulierungsbehörden spielt das Parteibuch eine wichtige Rolle. Und das nicht nur in Österreich. Zu dieser Erkenntnis kommt eine europaweite Studie, die im Rahmen eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF erstellt wurde und der APA vorliegt.

"Als gelernter Österreicher kennt man das"

"Einen Verlust an Steuerungsmöglichkeiten durch die Gründung solcher Regulierungsbehörden nahmen Regierungen nicht einfach hin, sondern suchten nach alternativen Wegen der Einflussnahme", erläutert der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien. So seien bei der Besetzung von Spitzenpositionen in diesen Regulierungsbehörden verstärkt politik- bzw. parteinahe Kandidatinnen und Kandidaten zum Zug gekommen. "Als gelernter Österreicher kennt man das Phänomen, es gab jedoch bis jetzt kaum solide empirische Forschung dazu", so Ennser-Jedenastik.

Zentrales Ergebnis der Recherche: Je formal unabhängiger eine Behörde ist, desto höher ist der Anteil an dort tätigem Führungspersonal, das einer Regierungspartei nahesteht. "Es steigt der Anteil der ernannten Spitzenfunktionäre mit Verbindung zu einer Regierungspartei von 14 Prozent in den Behörden mit der geringsten formalen Unabhängigkeit auf 35 Prozent in jenen mit der höchsten formalen Unabhängigkeit.", kommentiert Ennser-Jedenastik das Ergebnis. Sprich: Die formale Unabhängigkeit wird anderweitig kompensiert.

Bei der Studie wurden und 700 Besetzungen wurden zwischen 1996 und 2013 an der Spitze von etwa 100 Regulierungsbehörden in 16 westeuropäischen Ländern untersucht. Recherchiert wurde, ob die ernannten Personen zuvor politische Ämter ausgeübt, auf Wahllisten kandidiert in ihrer früheren Laufbahn in Ministerbüros gearbeitet hatten.

Österreich im Spitzenfeld

Österreich nimmt wenig überraschend eine Spitzenposition bei der Berufung von parteinahen Personen in Führungsämter ein. In neun von 18 untersuchten Fällen wurde im Untersuchungszeitraum parteinah besetzt. Auch in Frankreich und Belgien ist der Anteil an parteinahen Besetzungen hoch. Am anderen Ende der Skala liegen Finnland, Dänemark und Irland mit einem geringen Anteil.

Insgesamt zeigen die im Rahmen des FWF-Projekts gewonnenen Erkenntnisse, "dass Regulierungsbehörden politische Gebilde sind, deren Gründung und Aktivitäten keineswegs im neutralen Raum, wo Effizienz und Expertise die einzigen Kriterien sind, stattfinden". So würden politische Akteure strategisch versuchen, ihren "formalen Steuerungsverlust durch informelle Mittel wie parteinahe Besetzungen auszugleichen".

Regierungsnahe Chefs länger im Amt

Im Schnitt bleiben regierungsparteinahe CEOs in Regulierungsbehörden insgesamt länger im Amt als ihre oppositionsnahen Kolleginnen und Kollegen, heißt es in der Studie. "Dieser Effekt entsteht dadurch, dass oppositionsnahe Personen in wenig unabhängigen Behörden meist rasch abberufen werden, während jene in sehr unabhängigen Behörden länger geschützt sind", erläutert Ennser-Jedenastik. Der Regierungs-Oppositions-Unterschied sei in wenig unabhängigen Behörden also sehr deutlich, in sehr unabhängigen praktisch nicht mehr vorhanden.

(APA)

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