Anti-Christen-Kampagne: „Wäre Jesus in China KP-Mitglied?“

General Economy In Malaysia´s Biggest State Ahead of The Sarawak Election
General Economy In Malaysia´s Biggest State Ahead of The Sarawak Election(c) Bloomberg (Sanjit Das)
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Die Zahl der Protestanten in China wächst rasant. Peking wird nervös. Die KP geht gegen Hauskirchen vor und versucht, die Gläubigen auf Parteilinie zu bringen.

Wien/Peking. Ziegelsteine und Holzbalken überall verstreut. Drei Mann hohe Wände umgekippt wie ein Kartenhaus. Dort, wo bald Hunderte Gläubige beten sollten, liegt nun blanker Beton unter freiem Himmel. Drei Stockwerke hoch war das Gebäude, schreibt der Produzent des kurzen Videos. Mehr als drei Millionen Yuan sparten die Mitglieder der Kirche in Wenzhou, einer Stadt in der Provinz Zhejiang im Osten Chinas. „Die kommunistischen Banditen werden nie in den Himmel kommen“, schreibt ein Internetnutzer unter den wenige Tage alten Clip.
In Zhejiang hat sich der Protestantismus besonders rasant ausgebreitet. Knapp zwei Jahre ziehen die Behörden daher schon unerbittlich gegen das „Christentum-Fieber“ ins Feld. Die Regierung ließ mehr als 1500 Kreuze von Kirchendächern entfernen, sagt Bao Yuesheng von der US-Hilfsorganisation China Aid der „Presse“. Mindestens 37 Kirchen seien zerstört und Dutzende Menschen eingesperrt worden, schätzt Christian Solidarity Worldwide.

Bald Land mit meisten Christen

Zuletzt sorgten mehrere Festnahmen prominenter Glaubensvertreter für Aufsehen. Etwa die Inhaftierung von Gu Yuese. Er ist Pastor der größten Kirche im Land, gebaut für 5000 Menschen. Gu hatte sich offen gegen die Anti-Christen-Kampagne ausgesprochen, bevor ihn die Polizei im Februar wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verhaftete. Seit März steht er unter Hausarrest. Das Propagandablatt „Global Times“ wies Verbindungen zwischen Gus Verhaftung und den Kirchenzerstörungen zurück. „Religiöse Aktivitäten sind nicht vor Gesetzen immun“, titelte das Blatt. Konflikte zwischen Kirche und Staat seien bisher die Ausnahme gewesen, sagt Philip Entwistle vom University College Dublin der „Presse“. In vielen Teilen Chinas konnten Christen ihren Glauben weitgehend unbehelligt praktizieren – selbst Mitglieder nicht registrierter Kirchen, sogenannter Untergrundgemeinden und Hauskirchen. Der Widerstand gegen den raschen Zuwachs vor allem protestantischer Gemeinden wächst jedoch: Nahmen antichristliche Offensiven zunächst nur öffentlich sichtbare Symbole ins Visier, sind zunehmend versteckte Hauskirchen betroffen – vereinzelt auch außerhalb Zhejiangs.

Viele Chinesen wollen mit ihrer Hinwendung zum Christentum ein moralisches Vakuum füllen. In einer von Korruption, Ungleichheit und Konkurrenz gebeutelten Gesellschaft suchen sie Halt in stabilen Gemeinschaften. Offiziell gibt es in China 23,5 Millionen Protestanten und 5,5 Millionen Katholiken. Sie sind Mitglieder staatlich anerkannter Kirchen. Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus höher: Mindestens neun Millionen chinesische Katholiken soll es geben. Protestanten sollen derzeit etwa vier Prozent der Bevölkerung ausmachen - mehr als 50 Millionen Menschen. Forscher schätzen, dass China bis 2030 weltweit der Staat mit den meisten Christen sein wird. Damit machen sie der kommunistischen Partei mit ihren 86 Millionen Mitgliedern Konkurrenz.

Die Kampagne in Zhejiang laufe unter Ägide der Zentralregierung oder sei zumindest von ihr abgesegnet, ist Bao überzeugt. Sie sei Teil einer bundesweiten Strategie zur „Sinisierung“ des Christentums. Offiziell werden Chinas Christen damit angehalten, ihren Glauben „chinesisch“ zu praktizieren. Bao wittert hingegen andere Motive. „In Wahrheit bedeutet Sinisierung, das Christentum auf eine ideologische Linie mit KP und Sozialismus zu bringen.“ Ziel von Staatschef Xi Jinping sei letztlich, das Christentum „auszulöschen“.

KP fürchtet um Autorität

Denn die KP fürchte um ihre moralische Geltung, erklärt Entwistle. Und das, obwohl ein Großteil der Christen Chinas kein Interesse an einem Umsturz habe. Der KP sei die Loyalität der Gläubigen gegenüber einer unkontrollierbaren höheren Autorität nicht geheuer. Nicht umsonst will Peking die geistliche Oberhoheit des Papstes über die Katholiken des Landes nicht anerkennen. Zudem sehe die KP die Ausbreitung des Protestantismus als „Teil einer von den USA geführten Verschwörung, um China zu verwestlichen und zu spalten“, sagt Entwistle.

Wegweisend für Chinas Glaubensgemeinschaften (Christentum Buddhismus, Taoismus und Islam) ist ein Religionsgipfel in den kommenden Wochen. Dort wird entschieden werden, ob und inwieweit Religionen in China künftig frei praktiziert werden dürfen. Pastor Wu Weiqing sieht jedenfalls keinen Grund zur Sorge. „Lebte Jesus heute, wäre er dann Mitglied der KP?“, fragte ihn jüngst der britische Sender BBC. Höchstwahrscheinlich, ist das Mitglied der offiziellen Haidian-Kirche in Peking überzeugt – zumindest wäre Jesus zufrieden mit der Regierung.

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