Gewalt: Und wieder Tatort Handelskai

Die Station Handelskai in der Brigittenau. Wenige Hundert Meter entfernt davon fand am Montagabend die Stecherei mit Küchenmesser und Samuraischwert statt.
Die Station Handelskai in der Brigittenau. Wenige Hundert Meter entfernt davon fand am Montagabend die Stecherei mit Küchenmesser und Samuraischwert statt. Jenis / Die Presse
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Am Montag sind am Handelskai Algerier aufeinander losgegangen. Mehr Polizei und Sozialarbeiter aus der Community sollen verhindern, dass die Brigittenau zum Brennpunkt wird.

Wien. Montagabend, kurz vor 20Uhr. In der Millennium City bejubeln gut 2000 Leute den Start einer neuen Staffel von „Game of Thrones“. Als sie das Kino verlassen, müssen einige von ihnen, jene, die die „Schnecke“, den Radweg am Bürogebäude Rivergate, passieren, auf dem Heimweg an einer Blutlache, Spurensicherung und jeder Menge Polizei vorbei. Eine Stecherei – die Polizei wird später Fotos eines großen Küchenmessers und 40 Zentimeter langen Samuraischwerts mit japanischen Schriftzeichen als Tatwaffen präsentieren.

Das Resultat des Zusammentreffens zweier Gruppen von Algeriern. Erstere Gruppe hatte zuvor zwölf Bier und eine Flasche Wodka gekauft und wollte sich damit offenbar an die Donau setzen. Die zweite, siebenköpfige Gruppe forderte diese Alkoholika – und stach zu, als deren Herausgabe verweigert wurde. Eines der Opfer wird in die Lunge getroffen, wurde notoperiert – war aber am Montag wieder außer Lebensgefahr. Über die Täter weiß man noch nicht viel, Algerier seien sie, hätten die Opfer gesagt. Man habe sich zuvor aber nicht gekannt, hätten die Opfer, algerische Asylwerber im Alter von 16 bis zu 19 Jahren, seit drei bis neun Monaten in Österreich, untergebracht in Traiskirchen oder bei Bekannten in Wien, bei ihren Einvernahmen gesagt.

(c) Die Presse

Ob es sich um ältere Konflikte handelt oder „bloß“ um eine Streiterei unter Betrunkenen, die ausgeartet ist, weiß man nicht. Die Aufregung ist dennoch groß, nachdem sich schon im März Afghanen und Tschetschenen dort in der Nähe eine Massenschlägerei geliefert haben. Oder, nachdem sich im Februar Tschetschenen als eine Art Sittenwächter (inklusive provozierter Schlägerei) in der Millennium City aufgespielt haben. Werden die Station Handelskai und die Millennium City zu einem sozialen Brennpunkt wie der Praterstern?

Fakt ist, der Ort zwischen Einkaufszentrum, Entertainment-Center, Bahnhof und dem Übergang zur Donau ist ein Treffpunkt für jene Problemklientel, die Bahnhöfe anziehen. Dazu kommt die U6, die das Drogenproblem mit sich bringt, das Entertainment-Center, das auch nachts Menschen anzieht, oder gewisse Communitys der Brigittenau, etwa Tschetschenen, die als problematisch gelten.

Im Bezirk will man den Eindruck eines Gewalt- und Kriminalitätshotspots vermeiden. Die jüngsten spektakulären Fälle seien an unterschiedlichen Orten von unterschiedlichen Tätergruppen verübt worden. Außerdem sei eine Auseinandersetzung unter Betrunkenen nicht mit einer Massenschlägerei zu vergleichen; Ersteres komme in einer Stadt immer vor, sagt Florian Winkler, Sprecher des Bezirks. Seit der Schlägerei im März werden der Maria-Restituta-Platz und die Station Handelskai jedenfalls stärker von der Polizei bestreift. Da es mit Tschetschenen schon zuvor oft zu Problemen gekommen ist, versucht man nun, über soziale Arbeit präventiv zu wirken: Der Bezirk arbeitet eng mit Adam Bisaev zusammen, einem tschetschenischen Ex-Diplomaten und Betreiber eines Sportvereins, der einen guten Zugang zur Community hat und nun versuchen soll, problematische Entwicklungen bei den Jugendlichen zu beobachten – und entgegenzuwirken. Die erste Resonanz sei positiv, sagt Winkler.

Kaum bekannte neue Gruppen

Schwieriger ist das Problem bei anderen in die jüngsten Fälle verwickelten Gruppen: Bei Afghanen oder Algeriern fehlen solche Strukturen und Ansprechpersonen noch. Zur Prävention bleibt hier vorerst nur höhere Polizeipräsenz: Das Bild, das man vom Praterstern längst kenne – Bereitschaftspolizisten, die sich dort in Gruppen aufhalten –, sehe man hier nun häufiger, berichten Anrainer. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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