„Captain America: Civil War“: Noch eine Seifenoper mit Superkräften

The first Avenger: Civil War
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Die neueste Marvel-Produktion „Captain America: Civil War“ versucht, auch zeitgenössische politische Ambivalenzen auszuloten. Das gelingt ein Stück weit, aber dann überschwemmt die Heldenflut doch die Leinwand.

Können zu viele Helden den Brei verderben? Nicht für Marvel. Schließlich hat der Comic-Verlag und US-Unterhaltungsgigant – seit 2009 Teil des Disney-Imperiums – einen ganzen Kosmos zu befüllen: Das Marvel Cinematic Universe – so der Titel der Kinoproduktpalette – dehnt sich stetig aus, und mit ihm der Fundus kostümierter Weltenretter. Die Diversifizierung des Superhelden-Portfolios ist ein Schritt auf dem Weg zum Blockbuster-Monopol, das Marvel anzustreben scheint: Das Erzählnetzwerk wird engmaschiger, während Abwechslung vor Marktübersättigung schützt, und statt sich mit Sequels und Prequels abzumühen, werden jeder Film und jede Figur zu Elementen einer endlos expansionsfähigen, seriellen Gesamterfahrung – die teuerste (und lukrativste) Fortsetzungsgeschichte aller Zeiten.

Insofern ist auch die aktuellste Marvel-Großproduktion, „Captain America: Civil War“ (deutscher Titel: „The First Avenger: Civil War“), nicht wirklich Teil drei der Geschichte des titelgebenden, schildbewehrten Powerpatrioten, sondern primär Folge 13 der erfolgsverwöhnten „Avengers“-Saga, die 2017 und 2018 im zweiteiligen Finale „Infinity War“ kulminieren soll. Noch ist die Heldenbesetzung nicht groß genug für einen Konflikt intergalaktischen Ausmaßes – aber ein Bürgerkrieg geht sich ohne Weiteres aus.

Actionreiche Eröffnungssequenz . . .

Dabei herrscht anfangs noch Eintracht im Superkollektiv: Die actionreiche Eröffnungssequenz führt „Cap“ Steve Rogers (Chris Evans) und sein Team auf eine Routinemission nach Lagos, wo versprengte Terrortruppen der sinistren Geheimorganisation Hydra ihr Unwesen treiben. Die Helden triumphieren, doch im Zuge des Geplänkels kommt es zu Kollateralschäden, was nicht ohne Konsequenzen bleibt. Der US-Außenminister (William Hurt) stattet den übermenschlichen Ordnungshütern einen Besuch ab und konfrontiert sie in einer eindringlichen Szene mit Nachrichtenbildern der Verwüstung aus den letzten Marvel-Filmen. Sein Fazit: Die bislang eigenmächtig agierenden Avengers sollen an die kurze Leine und mit der Unterzeichnung des Sokovia-Abkommens der Entscheidungsmacht der UNO unterstellt werden.

Der Plan treibt einen ideologischen Keil in die Gemeinschaft der Heroen. Rogers hat im Zuge seines letzten Abenteuers, bei dem der Superhelden-Dachverband S.H.I.E.L.D. von Hydra unterwandert wurde, jegliches Vertrauen in regulative Behörden verloren und pocht auf Unabhängigkeit. Iron Man Tony Stark (diesmal etwas schmähgebremst: Robert Downey Jr.) hingegen müht sich aufgrund seiner Vergangenheit als Waffenfabrikant schon lang mit Gewissenslasten ab und sieht es als seine Verantwortung, Opfer zu bringen, wenn es der Sicherheit dient.

Man merkt schon: Die unschuldigen Zeiten, in denen Superhelden Menschen aus brennenden Häusern gerettet und die Bösen verhaut haben und dafür von der Menge (und vom Kinopublikum) bejubelt wurden, sind endgültig vorbei. Die krisen- und konfliktgeschüttelte Gegenwart fordert Eskapismus mit Wirklichkeitsanbindung, und so halten Argwohn und ethische Unsicherheit auch im Marvel-Universum Einzug. Joe und Anthony Russo, das Regie-Duo hinter „Captain America: Civil War“, haben schon den sehenswerten Vorgänger „Captain America: The Winter Soldier“ mit Kritik am Überwachungsstaat gespickt und damit bewiesen, dass auch zeitgenössische Blockbuster imstande sind, politische Ambivalenzen auszuloten. Im neuen Film versuchen sie, diesen reflektierten Kurs weiterzuführen, was ihnen zumindest in der ersten Hälfte gelingt – bis die Heldenflut die Leinwand überschwemmt.

Die Unterzeichnung des Sokovia-Abkommens wird von einem Anschlag erschüttert, hinter dem der flüchtige Supersoldat und ehemalige Captain-America-Freund Bucky Barnes (Sebastian Stan) vermutet wird. Rogers wittert ein Komplott und versucht, Barnes zu stellen: Eine Verfolgungsjagd über Häuserdächer und durch Straßenschluchten als altmodischer Action-Höhepunkt. Nach weiteren Verwicklungen schließen sich die zwei zusammen, um den wahren Drahtzieher zu finden, und Tony Stark platzt der Metallkragen. So kommt es auf dem Leipziger Flughafen zur großen Keilerei, nach der sich sämtliche Nerd-Herzen sehnen: Team Captain America vs. Team Iron Man.

. . . Überblick geht rasch verloren

Eine Aufzählung aller Beteiligten würde die Grenzen der Kritik sprengen, bis auf Thor und Hulk ist der ganze Marvel-Clan dabei, darunter Hawkeye (Jeremy Renner), Ant-Man (Paul Rudd), Black Widow (Scarlett Johansson) und Neuzugang Black Panther (Chadwick Boseman) – und als wäre das nicht genug, schwingt ein jugendlicher Spider-Man (Tom Holland) auf einen Sprung vorbei. Dieses überkandidelte Kräftemessen mit seinen verschiedenen Miniduellen ist als ungewöhnlich einfallsreiches Kabinettstück sehr vergnüglich – doch wer nicht mit allen Marvel-Wassern gewaschen ist, verliert schnell den Überblick. Der Preis dieser Sequenz ist ohnehin, dass hier abseits der beiden Anführer nur noch Skizzen und Fußnoten gegeneinander kämpfen – für Hardcore-Fans kein Problem, als Skeptiker klinkt man sich emotional aus. Für den charakterarmen Bösewicht Zemo (Daniel Brühl) bleibt zwischen all den Helden kaum Raum.

Und obwohl es „Captain America: Civil War“ eigentlich ganz gut schafft, sein hypertrophes Ensemble, seine zahlreichen Handlungsstränge, seinen atmosphärischen Mix aus Action, Ernst und Humor zu einem halbwegs kohärenten und unterhaltsamen Gesamtpaket zu schnüren, ist spätestens nach der melodramatischen Schlusswendung klar, dass die großen Marvel-Filme, wie im Grunde auch ihre Comic-Vorlagen, vor allem eines sind: Seifenopern mit Superkräften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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