Die Moden früherer Zeiten

Bernd Bienert war Tänzer, bevor er sich der Oper zuwandte.
Bernd Bienert war Tänzer, bevor er sich der Oper zuwandte.Christine Pichler
  • Drucken

Historienfilme, Originalklang, ja, aber wie sahen eigentlich historische Opernaufführungen aus? Das Teatro barocco zeigt es haargenau.

Zu den Spezialitäten des Wiener Musiktheater-Tausendsassas Bernd Roger Bienert zählt es, den Moden früherer Zeiten nachzuspüren. Er löckt damit auch wider den Stachel unserer nur vordergründig politisch korrekten Ära. Zwar, wir sprechen von Originalklang und historisch informierter Aufführungspraxis. Allein, weit ist es mit der Authentizität nicht her. Sobald man die Dinge ein wenig stärker hinterfragt und tiefer schürft, kommt man zu dem Punkt, an dem offenbar wird, dass man über die Frage, wie Musik etwa zu Bachs oder Mozarts Zeiten gespielt wurde, relativ wenig sicher aussagen kann, hingegen Illustrationen und Stiche aus der Zeit sehr gut nachvollziehen lassen, wie die Inszenierungen auf den Bühnen ausgesehen haben und welcher Gebärdensprache sich die Schauspieler und Opernsänger bedient haben. Just daran will man sich heute aber gar nicht orientieren.

Zaubrische Lichtmagie. Bienert fand das wenig schlüssig und gründete sein Teatro barocco, das seit fünf Spielzeiten im Stift Altenburg eine Heimat hat. Und dort rekonstruieren Bienert und seine Getreuen musiktheatralische Spektakel wie anno dazumal sogar die Lichtverhältnisse, wie sie einstens bei Kerzenbeleuchtung herrschten versucht man zu simulieren. Die Erfahrungen sind atemberaubend, denn sie bringen unsere Fantasie erst so recht in Gang. Was als akustisches Abenteuer begann, wurde zum retrospektiven Gesamtkunstwerk. Als einen Höhepunkt seiner Arbeit darf Bienert die Wiederbelebung des einzigen erhaltenen historischen Mozart-Spielorts bezeichnen, die ihm mit der Aufführungsserie von "Figaros Hochzeit" im Schlosstheater von Laxenburg heuer im Frühjahr gelang. Die gewohnte Teatro-barocco-Stagione führt uns im Sommer wieder nach Altenburg zurück, wo sich in den vergangenen Spielzeiten zum nostalgischen Theater-Rückblick noch musikhistorische Seitenblicke gesellten. Denn Bienert findet es nicht nur interessant, wie unsere Altvordern Theater gespielt haben, er will auch wissen, für welche Stücke sie sich begeistert haben. Und da unterscheidet sich die Repertoireliste stark von jener, die wir heute für die Ära der Vorklassik und des Barock als kanonisiert ansehen. Von Bach beispielsweise wussten die Europäer der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vergleichsweise wenig, von Händel schon mehr aber zu den absolut führenden Köpfen in Sachen Musiktheater zählte der heute bestenfalls Kennern dem Namen nach bekannte Johann Adolf Hasse.

Er galt den Italienern als "göttlicher Sachse", was im Geburtsland der Oper schon damals allerhand heißen wollte, und war in Deutschland der absolute Star unter den Musiktheater-Komponisten seiner Ära. Im legendären Opernstreit im Paris der Vordenker Voltaire und Rousseau spielte Hasse eine gar nicht geringe Rolle als Vorzeige-Meister der italienischen Oper. Dass es ihn im Gefolge des Siebenjährigen Kriegs zuletzt gar nach Wien verschlug, verschweigt die hiesige Chronik gern; doch fand Bienert in einer der letzten Hasse-Opern, "Piramo e Tisbe" sogar ein Beweisstück, dass sich der erfolgreiche Künstler den Reformen des jüngeren Christoph W. Gluck keineswegs verschloss, sondern deren Errungenschaften für sich zu nutzen verstand.

Neue Opernära. Die Tragödie der unglücklichen Liebe der zarten Thisbe zu Piramus, die vom Vater des Mädchens durchkreuzt wird, stammt aus derselben Zeit wie die bisher in Altenburg aufgeführten Werke, verzichtete ebenso wie diese auf die Mitwirkung von Kastraten und war übrigens nach ihrer Uraufführung eine weitere Teatro-barocco-Parallele auch in Laxenburg zu sehen! Sie zeigt uns einen der führenden Barock-Komponisten an der Schwelle zu einer neuen Opernära.

Tipp

"Piramo e Tisbe" von J. A. Hasse, Premiere: 25.Juni, Reprisen: 2., 9., 17., 23., 30.Juli. Stift Altenburg. www.teatrobarocco.at Informationen zu Clubvorteilen auf DiePresse.com/derclub.

("Kultur Magazin", 15.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.