Wien reagiert auf die Revolution

Hoffnungsvolles Ensemble: Studenten der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.
Hoffnungsvolles Ensemble: Studenten der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.Wolfgang Simlinger
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In seiner Nestroy-Adaption „Empört euch, ihr Krähwinkler!“ erweckt Regisseur Gernot Plass die Spielleidenschaft von Schauspielstudenten. Ein echter Spaß.

Die Bürger der Provinzstadt sind empört und träumen vom Aufstand. Der korrupte Bürgermeister und seine Helfer beginnen sich bereits ein bisschen zu fürchten. Die Zeitung leidet unter der Zensur. Ultra, ihr frechster Redakteur, soll durch einen Posten als amtlicher Zensor umgepolt werden. Der aber wehrt sich, indem er in diversen Verkleidungen als Geistlicher, Diplomat und Kommissär die Machenschaften der Redaktion aufdeckt. Auch Liebesgeschichten und Heiratssachen durchkreuzen all die politischen Pläne. Das war der Stoff für Johann Nepomuk Nestroy, um in „Freiheit in Krähwinkel“, einer „Posse mit Gesang in zwei Abteilungen“, das Wendejahr 1848 entlarvend auf die Bühne zu bringen. Sie entstand als Reaktion auf die Unruhen im März und wurde noch vor dem Wiener Oktoberaufstand abgesetzt. Nestroys Neigung zur Revolution ist offensichtlich. Dennoch musste er sich auch von liberaler Seite den Vorwurf gefallen lassen, dass er sie verhöhne.

Es gilt noch immer: „Wien bleibt Wien“

Seine Posse ist tatsächlich treffsicher, und sie trifft auch heute zu, im Wiener Wendejahr 2016. Das zeigte sich am Dienstag bei der Premiere von „Empört euch, ihr Krähwinkler!“ im Theater an der Gumpendorferstraße: Gernot Plass hat Nestroys Text intelligent und frech aktualisiert. Studierende des 3. und 4. Jahrgangs Schauspiel der Musik und Kunst Privatuniversität Wien (Leitung: Karoline Exner) haben seine Inszenierung mit großem Engagement und ebenso viel Talent umgesetzt. Knapp zwei Stunden dauert der in hohem Tempo gespielte Spaß, dann weiß man es gewiss: „Wien bleibt bleibt Wien“ ist immer noch eine gefährliche Drohung, egal in welche Farben sich die Stadt kleidet.

Zu dieser aberwitzigen Posse passt die schräge Musik von Erke Duit am Klavier, sie klingt so frisch wie eine Improvisation. Und auch die Choreografie des Dutzends an Darstellern ist mitreißend. Rasch erfolgen die Szenenwechsel auf dieser kleinen Bühne, auf der Alexandra Burgstaller mit wenigen Requisiten Büroschluchten, Wirtshäuser und sogar Straßenschlachten entstehen lässt. Dazu braucht es nur ein paar Sessel.

Stets aktuelle Rathausschranzen

Stanislaus Dick spielt den aufbegehrenden Journalisten Ultra als einen sympathischen Wirbelwind. In den Verkleidungen, zum Beispiel als Uncle Sam aus den USA, neigt er ein wenig zur Übertreibung. Stefanie Dernesa gibt den schnauzbärtigen Bürgermeister so überzeugend, dass man meinte, jetzt würde er sich bald auf den Kutschbock schwingen und gemütlich voller Wichtigkeit verlautbaren: „Jetzt hear ma amol zua!“ Verena Maria Bauer verwandelt die dankbare Rolle des reaktionären Sicherheitschefs Rummelpuff zum großen Spaß. Eigentlich aber werden vom Ensemble fast all diese vielen Rollen, die servilen bis faulen Beamten, die beinahe mutigen Teilzeit-Revolutionäre und die Rathausschranzen beherzt mit Leben erfüllt. Die süßen Mädel etwa bewähren sich auch auf den Barrikaden beinahe so engagiert wie im Kokettieren, assistiert von Verehrern, die männliche Begriffsstützigkeit pflegen. Es darf viel gelacht werden, selbst wenn Herr Ultra ganz ernst erklärt, was ein Zensor ist: „Ein Krokodil, was an den Ufern des Ideen-Stromes lagert und den darin schwimmenden Dichtern die Köpf' abbeißt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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