Deutschland: Braunkohle-Gegner blockieren Tagebau und Kraftwerk

Mehrere Hundert Aktivisten haben das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe gestürmt und den Betrieb gestört.
Mehrere Hundert Aktivisten haben das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe gestürmt und den Betrieb gestört.imago/Markus Heine
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Über tausend Umweltschützer demonstrieren in der Lausitz für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle. Auch Österreicher hatten sich zu der Aktion angesagt.

Mit der Besetzung eines Tagebaus und der Blockade eines Kraftwerks haben weit über tausend Umweltschützer in der Lausitz im deutschen Bundesland Brandenburg für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle demonstriert. Zu der Aktion hatten sich Vorfeld auch Aktivisten aus Österreich angesagt. Der Energiekonzern Vattenfall stellte Strafanzeige.

Vattenfall beklagte, dass sich mehrere Aktivisten gewaltsam Zutritt zum Kraftwerksgelände verschafft hätten. Das Kraftwerk Schwarze Pumpe wurde am Samstag von der Kohlezufuhr abgeschnitten und musste seine Leistung drosseln.

Seit Freitag halten Mitglieder des Aktionsbündnisses Ende Gelände den Tagebau Welzow-Süd besetzt, am Samstag schnitten sie Schwarze Pumpe mit Gleisblockaden vom Kohlenachschub ab. Nach Angaben des Aktionsbündnisses beteiligten sich über 2000 Menschen aus mehreren europäischen Ländern an den Protesten. Rund 200 Aktivisten, die einen Verladekran blockierten, verbrachten auch die Nacht im Tagebau. Die Polizei konnte die Zahlen nicht bestätigen, für Freitag sprach sie lediglich von 1600 Teilnehmern.

Auch Aktivisten aus Österreich hatten ihre Teilnahme zugesagt. "Der Klimawandel ist ein globales Problem, und die Auswirkungen betreffen schon jetzt Millionen Menschen", erklärte etwa Lukas Weber vom österreichischen Bündnis "System Change, Not Climate Change" am vergangenen Dienstag in einer Aussendung. "Das Klima-Abkommen von Paris ist nicht ausreichend um den Klimakollaps zu verhindern. Der Klimawandel ist keine nationale Angelegenheit, sondern betrifft Menschen weltweit.". Laut Weber wollten österreichische Teilnehmer mit Bussen und einer Fahrradkarawane in die Lausitz reisen, "um dort gemeinsam mit tausenden Menschen aus ganz Europa ein Zeichen zu setzen."

"Um die Klimakrise zu lösen müssen wir die Art und Weise wie wir wirtschaften und leben grundsätzlich ändern. Die Lösungen dafür werden nicht von den Regierungen - sondern nur von unten, vom lokalen und globalen Widerstand der Menschen kommen", so Attac-Vorstandsmitglied Carla Weinzierl, die auch am "Ende Gelände" teilnahm.

"System Change, not Climate Change" ist nach eigenen Angaben ein Bündnis von Menschen und Organisationen, die sich für eine sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen. "System Change, not Climate Change" informiert über Möglichkeiten zur Teilnahme an "Ende Gelände".

"Deutschland ist Weltmeister bei der Verbrennung dreckiger Braunkohle", erklärte die Sprecherin des Aktionsbündnisses Ende Gelände, Hannah Eichberger. "Deshalb nehmen wir den Kohleausstieg selbst in die Hand und schalten einen der größten Klimakiller Europas ab."

"Die Lage ist dramatisch"

Etwa 700 Aktivisten drangen am Samstag auf das Gelände des Kraftwerks vor - nach Angaben des Aktionsbündnisses friedlich. Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer sagte dagegen, dass sich einige der Demonstranten gewaltsam Zutritt verschafft hätten. Auch Feuerwerkskörper seien gezündet worden. "Die Lage ist dramatisch", sagte Schirmer. "Unsere Kollegen fühlen sich bedroht. Hier ist eine Grenze eindeutig überschritten worden."

Vattenfall hatte am späten Freitagabend Strafanzeige wegen Landes- und Hausfriedensbruchs sowie Nötigung erstattet. Die Polizei ließ die Protestteilnehmer aber weitgehend gewähren, weil die Staatsanwaltschaft die in der Strafanzeige angeführten Tatbestände nicht teilte. Am Samstag stellte Vattenfall eine weitere Anzeige wegen der Blockade der Gleisanlagen. Die Leistung des Kraftwerks musste das Unternehmen herunterfahren, um mit den Kohlereserven auszukommen.

Schirmer beklagte, die Demonstranten brächten mit ihrer Aktion sich und andere in Gefahr. Das unbefugte Betreten eines Tagebaus berge große Risiken. Auch Sprecherin Ines Filohn von der Polizeidirektion Süd in Cottbus sagte, das Vorgehen der Protestteilnehmer sei "nicht ungefährlich". Mehrere Menschen seien auf Großgeräte wie Braunkohlebagger geklettert.

Haftstrafe für Aktivistin

Nach Polizeiangaben wurde eine Frau in Gewahrsam genommen, weil sie Widerstand gegen Beamte leistete und einen Platzverweis ignorierte. Die Frau habe Angaben zu ihrer Identität verweigert und sei am Samstag vor das Amtsgericht gestellt worden, das sie zu einem Monat Freiheitsentzug ohne Bewährung verurteilt habe.

Gegen einen 26-jährigen Polen sei ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Widerstands gegen einen Polizeibeamten eingeleitet worden. Angaben des Aktionsbündnisses, wonach sieben Aktivisten am Freitagabend bei einem Handgemenge durch Pfefferspray verletzt worden seien, bestätigte die Polizei nicht.

Die Aktionen von Ende Gelände sollen über das Pfingstwochenende fortgesetzt werden. Im Tagebau Welzow-Süd werden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert; Hauptabnehmer ist das Kraftwerk Schwarze Pumpe.

Vattenfall hatte kürzlich angekündigt, seine gesamte deutsche Braunkohlesparte mit Tagebauen und Kraftwerken an das tschechische Energieunternehmen EPH und den Finanzinvestor PPF Investments zu verkaufen. Der Konzern will sich stärker auf umweltfreundliche Energie ausrichten.

(APA/AFP)

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