Norbert Hofer, der verhinderte Grüne?

BP-WAHL: INTERVIEW NORBERT HOFER
BP-WAHL: INTERVIEW NORBERT HOFER(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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FPÖ-Kandidat Norbert Hofer wildert im Ökorevier. Seine Partei bleibt aber ein Sammelbecken der "Klimaleugner".

In den letzten Tagen vor der Präsidentschaftswahl macht sich zusehends Verwirrung breit. Der grüne Alexander van der Bellen sucht plötzlich die Nähe zu den Konservativen im Land. Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer wiederum wildert just im Revier seines Rivalen. Als am Mittwoch bekannt wurde, dass die EU überlegt, die Atomkraft zu stärken, hat er prompt reagiert: Kernenergie sei ein fataler Rückschritt. Die Zukunft müsse den Erneuerbaren gehören, ließ Hofer wissen.

Interessant.

War die FPÖ nicht eben noch jene Partei, die den Klimawandel als „einziges mediales Lügengebäude“ ansah, das „zum Einsturz gebracht werden muss“? So sah es zumindest Susanne Winter, die damalige Umweltsprecherin der Partei im Sommer 2015. Wenig später zweifelte Parteichef Strache im TV an der globalen Erwärmung – schuld seien möglicherweise ja nur die Ameisen, die zu viel CO2 ausatmen . . .

Ist der Pro-Umwelt-Kurs des blauen Kandidaten nur eine Wahlkampffinte? Namhafte Vertreter der heimischen Ökoszene bezweifeln das. „Hofer ist in Sachen Umwelt- und Klimaschutz radikaler als die meisten Grünen“, erzählen sie hinter vorgehaltener Hand.

Schon vor Jahren hat er als Energiesprecher der FPÖ das Buch „Energie und Lebensmittel – Grundlagen zur Freiheit“ vorgelegt. Das Werk hat es in sich: Spätestens 2045 will Hofer Österreich demnach zu hundert Prozent aus der „Energiegeiselhaft“ der fossilen Energielieferanten aus dem Ausland befreit haben. Jedes Auto, jede Heizung und jeder Computer im Land sollten dann mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Den Individualverkehr will er „stetig verteuern“ und neue Ökosteuern und -zölle einführen. Von Prognosen, dass sich Ökostrom nicht rechne, solle man sich „nicht abschrecken lassen“, heißt es weiter. Das Land könne und müsse sich diesen „nationalen Kraftakt“ leisten.

Die Ökoszene ist angesichts dieser plötzlichen Nähe zum Intimfeind etwas verstört. Dabei war Umweltschutz lang vor den ersten Grünbewegungen oft mit esoterischem und völkisch-nationalem Gedankengut verknüpft. Die heutige FPÖ ist bei dem Thema gespalten. So halten etwa die vielen Russland-Freunde bei den Blauen wenig vom Plan, Gasimporte aus Moskau künftig mit Zöllen zu bestrafen. Auch der oberösterreichische Vize-Landeschef, Manfred Haimbuchner, die blaue Brücke zur Wirtschaft, fällt eher mit lautstarker Kritik am Ökostrom auf. Während „sein Kandidat“ Hofer jedes Wohnhaus mit Solaranlagen versehen will, hat der Wohnbaulandesrat Haimbuchner die Solarenergie im Bau abgewürgt. Als nächstes ist die Windkraft dran. Setzt er den Mindestabstand von 1200 Metern zu jedem Haus durch, ist der Ausbau in Oberösterreich de facto beendet. Auch beim Thema Klimawandel stärkt Haimbuchner, der für die „Presse“ leider nicht zu sprechen war, eher die ohnedies gut besetzten Reihen der Klimawandelskeptiker in der Partei.

„Da gibt es unterschiedliche Meinungen“, räumt Norbert Hofer gegenüber der „Presse“ ein. Aber immerhin der Schlachtruf: „Österreichische Energie für Österreicher“ sei mehrheitsfähig. Das sei doch auch schon etwas, meint er. Der Klimaschutz werde dann „automatisch miterledigt“.

matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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