Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, reiste am Dienstag überraschend nach Warschau.
Warschau. „Wir sind nahe an einer Einigung“, sagt Polens Europaminister, Konrad Szymański: Er meinte damit den Streit mit der EU um das Verfassungsgericht. Die Kommission hatte Polen eine Art Ultimatum gesetzt, bis letzten Montag endlich eine Lösung anzubieten.
Nachdem sich die Verhandlungen zwischen Brüssel und Warschau bis in die späten Abendstunden hingezogen hatten, reiste der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, am Dienstag überraschend nach Warschau. Am Nachmittag traf er dort Premierministerin Beata Szydło sowie den von der Kaczyński-Regierung geschnittenen Präsidenten des Verfassungsgerichts, Andrzej Rzepliński.
Timmermans sei in Warschau, um mit der Regierung den „konstruktiven Dialog weiterzuführen“, sagte eine Kommissionssprecherin. Ein Durchbruch wurde in Brüssel indes noch nicht erwartet. „Das Problem kann in Polen selbst gelöst werden“, lobte Timmermans nach dem Treffen mit Szydło den von der polnischen Regierung vorgestellten Kompromiss.
„Wollen einen Kompromiss“
Die für Montag angekündigte Veröffentlichung eines Kommissionsberichts über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Polen wird inzwischen nicht mehr diese Woche erwartet.
Laut polnischen Presseberichten hatte Szydło bei dem Treffen ein weitgehendes Entgegenkommen der Regierung im Streit um das Verfassungsgericht präsentiert. So sollen drei zur Zeit der liberalen Vorgängerregierung vom Parlament gewählte Verfassungsrichter von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erneut vorgeschlagen und vom neuen Parlament mit seiner absoluten PiS-Mehrheit bestätigt werden. Auch über eine Publikation der Urteile des alten Verfassungsgerichts, das von der Kaczyński-Regierung seit Neujahr nicht mehr anerkannt wird, ist die Rede. „Wir wollen einen Kompromiss und danach wieder ein funktionierendes Verfassungsgericht“, versprach Szydło nach dem Treffen mit Timmermans. (flü)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)