Geld ohne Arbeit – nein danke

A 8,000 square meter poster is pictured on the Plainpalais square in Geneva
A 8,000 square meter poster is pictured on the Plainpalais square in Geneva(c) REUTERS (DENIS BALIBOUSE)
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Die Schweizer stimmen am Sonntag über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Die Umfragen ergeben aber ein klares Nein.

Bern. Es klingt wie im Schlaraffenland: Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für die gesamte Bevölkerung. Und die Bürger dürfen auch noch selbst darüber abstimmen. Genau das passiert am Sonntag in der Schweiz, wenn das Stimmvolk über die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ entscheidet.

Wer würde nur einen Augenblick daran zweifeln, dass es kein eindeutiges Ja für die Idee gibt, wer würde annehmen, dass ein Volk auf einen bedingungslosen Geldsegen vom Staat verzichtet? Aber der Reihe nach.

Die Volksinitiative setzt mit einem großen Hebel an. Sie will das bedingungslose Grundeinkommen in der Verfassung verankern. Kurz, vage und offen – Kritiker sagen unklar – ist ihr Anliegen formuliert: Der Bund soll für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens sorgen. Dieses soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Das Gesetz soll insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens regeln.

2500 Schweizer Franken im Monat

„Das ist bewusst so gestaltet“, sagt Mitinitiator Daniel Häni. „Weil wir über einen Verfassungsgrundsatz abstimmen und in einer Verfassung nicht Details geregelt werden.“ Bei der Einführung des Grundeinkommens gehe es um die grundlegende Bewusstseinsfrage, „wie wir als Gesellschaft in Zukunft leben wollen“, sagt Häni. „Die tatsächliche Einführung findet nicht im Portemonnaie, sondern im Herzen und im Kopf statt.“

Für die Steuerzahler wäre das BGE aber ein großer Ausgabenposten: Die Initiatoren rechnen vor, dass sich die Gesamtkosten für das Grundeinkommen auf etwa 200 Mrd. Schweizer Franken (181 Mrd. Euro) belaufen würden. Ein Viertel davon könnte aus den bestehenden Sozialsystemen gedeckt werden, die dann obsolet wären. Zudem würden jedem Schweizer, der Geld verdient, 2500 Franken im Monat abgezogen und allen Bürgern weitergereicht. Zusätzlich zu den Steuern und Abgaben, die die Erwerbstätigen jetzt schon bezahlen. So könnten 130 Mrd. Euro lukriert werden. 2500 Schweizer Franken (2263 Euro) im Monat nennen die Initiatoren als Richtgröße für ein „menschenwürdiges Dasein“. Kinder sollten 624 Franken monatlich erhalten.

Entsprechend unpopulär ist die Initiative. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes GFS.bern werden 71 Prozent der Schweizer gegen und 26 Prozent für das bedingungslose Grundeinkommen stimmen. Das populärste Argument der Befürworter lautet, dass damit die unentgeltliche Familienarbeit und ehrenamtliches Engagement anerkannt und gefördert werde. Die Gegner argumentieren, dass das BGE den Anreiz, für Geld zu arbeiten, reduziere und das BGE zudem suggeriere, dass man nicht mehr arbeiten müsse. Das stimme aber nicht, das BGE reiche nicht aus.

Unter den Ja-Stimmen finden sich aber auch jene, die zwar mit der grundsätzlichen Idee sympathisieren, aber nichts riskieren möchten. Im Wissen, dass die Initiative bei der Abstimmung am Sonntag keine Chance hat, geben sie ein risikofreies Ja ab. Aus Sicht der Meinungsforscher ist das BGE eine klassische Minderheiteninitiative aus dem linksliberalen Lager. Solche haben gemäß der Abstimmungshistorie in der Schweiz keine Aussicht auf Erfolg.

Nur die Grünen sind dafür

Von den politischen Parteien stehen allein die Grünen mit 64 Prozent Befürwortern dahinter. Der liberale bis rechte Flügel lehnt das Vorhaben mit über 80 Prozent ab. Auch die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaft haben sich eindeutig dagegen ausgesprochen. Die Sozialdemokraten sind sich offensichtlich nicht einig: Die Parteielite hat eine Nein-Parole ausgegeben, während einige Lokalverbände an der Basis dafür sind.

In Europa wird das bedingungslose Grundeinkommen seit den 1970er-Jahren diskutiert. Eine europaweite Umfrage von Dalia Research in 28 Ländern ergab jüngst eine Zustimmung von 64 Prozent zum BGE. Das Thema wird die politische Diskussion also auch in Zukunft prägen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)

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