"Mensch Gottschalk": Warum sagt ihm keiner, dass er aufhören soll?

Thomas Gottschalk
Thomas Gottschalk(c) RTL/Andreas Friese
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Die neue RTL-Show mit Thomas Gottschalk war wie "Wetten, dass ...?" ohne Wetten und Riesen-Couch: Viel zu lang, ohne Spannung und mit zu oft gehörten Witzen.

Er wusste, welch' schwierige Übung dieser Abend werden würde. Eine Live-Show am Sonntagabend, gegenprogrammiert zu "Tatort" und "Anne Will" in der ARD, das ist selbst für den routiniertesten Fernsehtalker der Deutschen ein Unterhaltungs-Stunt. Thomas Gottschalk entschied sich für den selbstironischen Weg. Zum Running Gag des Abends wurden seine Spitzen auf des Deutschen liebste Krimi-Reihe - und sich selbst. Schon nach den ersten Minute spoilerte er den "Tatort" am Nachbarsender: "Man guckt Krimis ja nur, um zu erfahren, wer der Täter ist. Ich sag's ihnen: Die Paula war's." Um 21.44 Uhr, als der "Tatort" zu Ende war, unterbrach er das Gespräch mit Daimler-Chef Dieter Zetsche und Niki Lauda etwas abrupt, um sich an die erhofften neu hinzu gekommenen Zuseher zu wenden: "Sie haben wunderbare Sachen verpasst, einiges kommt noch" und bat höflich: "Bitte bleiben sie noch ein bisschen". Kurz darauf rief er bei Günther Jauch an und fragte seinen RTL-Kollegen und guten Freund: "Guckst du g'rade Anne Will?" (Jauch darauf: "Ich gucke tatsächlich parallel euch und Anne Wille.") 

Trumps Großcousin und Samuel Kochs Liebe

Gottschalk bemühte sich redlich, trotzdem blieb der Eindruck, man sehe hier eine Light-Version jener Sendung, die ihn richtig bekannt gemacht hat. Ein "Wetten, dass ...?" ohne Wetten und Sofa, aber mit prominenten Gästen, Show-Acts, ein paar süßen Kindern und einem gut gelaunten, plappernden Gottschalk im Zentrum. Die Gästeliste war sogar um einiges diverser als die vieler "Wetten, dass ...?"-Sendungen. Das mag an der Redaktion von "Spiegel TV" liegen, die für die Sendung die redaktionelle Arbeit schupft. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz durfte erzählen, wie er Wladimir Putin findet ("Sie sind netter."). Beim Betreten des Studios wurde für ihn die Europa-Hymne angestimmt und Gottschalk sagte dazu, völlig unironisch: "Das war bisher meine Auftrittsmusik, die Eurovision." Später erschien Fritz Geissel, der deutsche Großcousin von Donald Trump. Und mittendrin der bei "Wetten, dass ...?" verunglückte und mittlerweile ins Schauspielfach gewechselte Samuel Koch. Er durfte über die neue Krimiserie sprechen, in der er demnächst zu sehen sein wird.

Etwas seltsam mutete es zunächst an, dass Gottschalk Sarah Elena Timpe, die Verlobte von Sebastian Koch, zuerst allein befragte. Doch das Gespräch entpuppte sich als das Authentischste des Abends. Denn die junge Dame, die bisher nur Fans der Telenovela "Sturm der Liebe" ein Begriff gewesen sein dürfte, sagte gleich zu Beginn herrlich unverkrampft, sie wisse, dass sie nur hier sitze, weil sie mit Samuel Koch liiert sei - und Gottschalk widersprach ihr nicht. Schließlich erzählte sie, wie befremdlich sie es fand, dass ihr Verwandte und enge Freunde bei der Verlobungsfeier mit Koch nicht gratuliert, sondern nur "viel Kraft" gewünscht oder ihren "Mut" bewundert hatten.

Zwischendurch traten Popstars wie die gerade wieder auf Tour gehenden Pet Shop Boys auf. Und auch da war wieder dieser "Wetten, dass ...?"-Moment: Wenn Gottschalk kurz nach dem Studioauftritt der Band ein paar unbedeutende Worte mit den Künstlern wechselt. Wie oft haben wir das schon gesehen?

Insgesamt bewies Gottschalk zwar, dass er der Routinier des Showgeschäfts ist und blond, aber seine blonde Mähne ist weißer geworden, seine Moderations-Gags, die sich häufig um ihn selbst drehen, noch abgedroschener. Diesmal zeigte sich noch mehr denn je, wie sehr er bei den unterschiedlichsten Themen und Menschen an der Oberfläche kratzt. Der Subtitel der Sendung "Mensch Gottschalk" lautete "Das bewegt Deutschland". Doch das, was da am Sonntagabend zu sehen war, bewegte  offenbar nicht sehr viele. 2,09 Millionen Menschen waren im Schnitt dabei, beim "Tatort" waren es mit 8,10 Millionen vier Mal so viel. Dass Gottschalk wie davor jahrzehntelang im ZDF auch diesmal fast eine Stunde der regulären Sendezeit überzog, zeigt, wie wenig der Mann von Vorgaben und Regeln hält. Wenn er einmal auf Sendung geht, ist er nicht mehr zu stoppen. Nur, warum lässt ihn immer noch ständig wer auf Sendung gehen?

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