Schlechte Matura zeigt Probleme an Wiener Schule auf

Schüler vor dem Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse 14. Nach der Matura sind offizielle Stellen unter Zugzwang.
Schüler vor dem Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse 14. Nach der Matura sind offizielle Stellen unter Zugzwang.(c) Stanislav Jenis
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Die Zentralmatura macht Probleme sichtbar, die lange Zeit unter den Teppich gekehrt wurden. Im Fall eines Oberstufengymnasiums im ersten Wiener Gemeindebezirk herrscht Handlungsbedarf.

Wien. Nur ein paar Minuten Fußweg sind es von der Staatsoper zur Hegelgasse. Die Namen großer deutscher Philosophen finden sich in den umliegenden Gassen dieses Grätzels in der Wiener Innenstadt: Kant, Schelling, Fichte und eben Hegel. Von den Schulen vor Ort würde man wohl annehmen, dass sie für gute Leistungen stehen. Doch im Fall der Hegelgasse 14 ist dem nicht so. Das Oberstufenrealgymnasium fiel mit sehr schlechten Ergebnissen bei der Mathematikmatura auf: Zwei komplette Maturaklassen hätten sie nicht bestanden, schrieb der Journalist Andreas Unterberger in seinem Blog.

Die Schüler der Hegelgasse 14 sind nun verunsichert. „Ich bin schon nervös wegen meiner Matura nächstes Jahr“, erzählt eine Schülerin der siebten Klasse. Wie viele andere Schüler, die am Montag in die Schule kommen, kann sie sich das desaströse Ergebnis der Matura aber nicht so ganz erklären. Passenderweise ist es der erste Tag der Kompensationsprüfungen, bei denen sich Maturanten ihre Fünfer bei der schriftlichen Klausur ausbessern können. Und die Schüler der niedrigeren Klassen wissen, dass ihnen das gleiche Schicksal blühen könnte. Doch woran hakt es?

„Bildung als Menschenrecht“

Die Direktorin will sich nicht über Stand und Image ihrer Schule äußern, doch so viel will sie klarstellen: „Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht – das wird in der Hegelgasse 14 gelebt.“ Offenbar gelingt der Schule aber genau das nicht, was sie selbst als Ziel definiert hat: Den Jugendlichen die nötige Bildung zu vermitteln, um sie zur Matura zu führen, wie es auf der Homepage zu lesen ist.

Generell zeigte sich schon bei der ersten Zentralmatura im Vorjahr, dass viele Oberstufengymnasien Probleme haben mitzuhalten. Gegenüber den achtjährigen Gymnasien schnitten diese Schulen, in die die Schüler erst mit 15 Jahren – und vielfach aus den (ehemaligen) Hauptschulen – kommen, deutlich schlechter ab. Was wiederholt Debatten über mögliche Reformen – von Extrastunden in den Maturafächern bis zu einer Verlängerung der ORG um ein Jahr – auslöste.

An der Hegelgasse 14 gibt es sogar eine sogenannte Übergangsstufe, die schwächere Schüler auf ein entsprechendes Niveau bringen soll, bevor sie regulär einsteigen. Dennoch berichten die Jugendlichen von vielen Mitschülern, die irgendwann wechseln: Einige gehen dann in die Abendschule, andere beginnen eine Lehre, viele wiederholen die eine oder andere Klasse. Unter den Lehrern seien manche besser, manche schlechter. Und unter den Schülern scheint oftmals die Leistungsbereitschaft nicht sehr hoch zu sein: „In meiner Klasse regt sich die Hälfte darüber auf, dass es so viel oder so schwere Hausübung gibt. Die machen sie dann einfach nicht“, erzählt ein Fünftklässler vor der Schule. „Dabei ist es echt nicht viel.“ Ein anderer Schüler berichtet, dass es Mitschüler gebe, „die gar nicht lernen“.

Problem früher erkennen

Bis zur Zentralmatura gab es über die Hegelgasse 14 vor allem Gerede. Seit Jahrzehnten gilt sie als eine Adresse, an der man ohne viel Aufwand zur Matura kommt. Das schien kaum jemanden zu stören. Doch mit der Vergleichbarkeit, die die Zentralmatura bringt – auch wenn die Ergebnisse der einzelnen Schulen offiziell nicht herausgegeben werden –, kann das Problem nicht mehr ignoriert werden.

Im Vorjahr gab es bei der Matura einen Schummelskandal, ein Lehrer wurde vom Wiener Stadtschulrat ermahnt. Dort versprach man anschließend, „zukünftig noch genauer ins Klassenzimmer zu schauen“. Passiert ist augenscheinlich noch nichts. Doch die offiziellen Stellen sind unter Zugzwang – und müssen sich auch daran messen lassen. Wenn man auch nicht damit rechnen kann, dass sich eine Schule innerhalb nur eines einzigen Jahres erheblich verbessert: Das Problem hätte auch schon viel früher erkannt werden müssen.

Wie es mit der Schule weitergehen soll, bleibt offen. Sobald die finalen Maturaergebnisse vorliegen, würden diese genau von der Schulaufsicht analysiert, heißt es aus dem Stadtschulrat. Geplant ist die Zusammenlegung mit einer anderen Schule, die sich zuletzt wieder und wieder verzögert hatte: mit dem Gymnasium in der Vereinsgasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Bis Renovierung und Zubau dort fertiggestellt sind, befindet sich dieses Gymnasium in unmittelbarer Nähe zur Hegelgasse in der Schellinggasse.

Nachbarschule ist besser

Eine Schule, der eine Weiterentwicklung schon gelungen ist, liegt übrigens bis zum Umzug in voraussichtlich zweieinhalb Jahren auch direkt nebenan. Die Hegelgasse 12, die wegen ihrer Adresse oft mit der Nummer 14 verwechselt wird, ist ebenfalls ein BORG. Durch die Einführung von Schwerpunkten im Bereich Kunst und Musik veränderten sich Schule und Schülerschaft, während die benachbarte Hegelgasse 14 zurückblieb. Schüler und Lehrer der Nummer zwölf werden sich freuen, wenn sie nicht mehr ständig verwechselt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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