Marc Janko: "Es ist eine surreale Welt"

AUT, UEFA Euro 2016 Qualifikation, Oesterreich vs Liechtenstein
AUT, UEFA Euro 2016 Qualifikation, Oesterreich vs LiechtensteinSebastian Pucher / EXPA / picturedesk.com
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Marc Janko soll bei der EM in seiner Rolle als Paradestürmer glänzen und für die nötigen Tore sorgen. Ein Gespräch über Leistungsdruck, Ziele, Ansehen und ein Blick in die Zukunft.

Am Dienstag startet für Österreichs Team gegen Ungarn das Abenteuer EM. Was darf von der Mannschaft bei dieser Endrunde erwartet werden?

Marc Janko: Natürlich sind wir hier, um jedes Spiel zu gewinnen, allerdings sollten wir alles in die richtige Relation setzen. Österreich hat sich zum ersten Mal aus eigener Kraft für eine Europameisterschaft qualifiziert. Scheiden wir in der Gruppenphase oder im Achtelfinale aus, sollten wir die EM nicht als Enttäuschung betrachten. Die Teilnahme allein ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe.


Zuvor wurden Großereignisse reihenweise verpasst. Hand aufs Herz: Hatten Sie schon Zweifel am Nationalteam?

Ich hatte tatsächlich immer den Glauben an die nötige Qualität unserer Mannschaft, nur ist diese stets irgendwo zwischen Trainingsplatz und Spielfeld verloren gegangen. Das Team hatte schon vor Marcel Koller großartiges Potenzial, konnte es jedoch nie zu 100 Prozent ausschöpfen. Wir waren ganz einfach nicht diese Einheit, wie wir sie jetzt sind. Das ist ein Stück weit auch Kollers Verdienst. Das Team funktioniert heute besser. Es verfügt über hervorragende Einzelspieler, aber der Erfolg kann mittelfristig nur über die Geschlossenheit der Mannschaft führen. So weit wie etwa Deutschland, das über einen gewaltigen Pool an Spielern verfügt, sind wir nicht.


Was war im Nationalteam zuerst da: der Erfolg oder die Freundschaft?

Als Marcel Koller sein Amt antrat, haben wir Spieler uns intensiv miteinander beschäftigt. Wir haben dadurch eine gemeinsame Ebene, einen Draht zueinander gefunden.

Wie kam es denn dazu?

Wir hielten mehrere Sitzungen ab, haben dabei ganz klar angesprochen, was uns in der Vergangenheit nicht gepasst hat, auch auf persönlicher Ebene. Es wurde nüchtern analysiert, ohne verletzend zu werden. Wir redeten über vorangegangene Qualifikationen, hinterfragten uns. Anschließend haben wir auf einem Flipchart unsere Ziele formuliert und uns darauf verständigt, was wir für das Erreichen dieser Ziele leisten müssen. Wir haben uns symbolisch die Hand gereicht, jeder Einzelne. Getreu dem Motto: „Ich gebe dir mein Wort.“ Danach war ein anderer Geist zu spüren.

Sie sind der erklärte Nummer-eins-Stürmer, eine Fußballnation erwartet bei der EM Janko-Tore. Eine besondere Drucksituation?

Nein, ich sehe das vielmehr als Auszeichnung. Druck muss nicht immer belasten, er kann auch beflügeln. Aber ich weise gern darauf hin, dass auch Spieler wie Rubin (Okotie, Anm.) in der Vergangenheit funktioniert und auch schon den Unterschied ausgemacht haben. Wir sind eine große Einheit.

Siege und Tore lassen Sympathiewerte in die Höhe schnellen. Ist es erstrebenswert, Everybody's Darling zu sein?

Nein, das kann ich sowieso nicht mehr werden. Das sind andere im Team, etwa David Alaba – ein bodenständiger Weltstar, dem ich diese Rolle von Herzen gönne. Wenn mir Sympathie entgegenschlägt, dann freut es mich, aber ich spiele nicht, um Everybody's Darling zu sein. Ich habe für mich schon lang erkannt, dass es der Schlüssel des Scheiterns ist, wenn man es jedem recht machen will.

Woher kommt diese Erkenntnis?

Mit dem Erfolg kommen die Sympathien. Bleibt er aus, sind sie schnell wieder verflogen. Ich traue der Sache also nicht so ganz. Als Fußballer bewegt man sich ständig in einer Blase, einer surrealen Welt. Ich bin ein eher verschlossener Mensch, gebe nicht gern Privates preis. Vielleicht bin ich auch ein zu kopflastiger Mensch, andere sind da unbekümmerter.

Sie gelten als einer der Lieblingsschüler von Marcel Koller. Der Teamchef hat Ihnen als Reservist in der Türkei ebenso vertraut wie als weit gereisten Australien-Legionär. Nicht nur Koller, auch Sie gingen damit ein hohes Risiko ein.

Dessen war ich mir bewusst. Hätten meine Leistungen im Nationalteam in dieser Zeit nicht gepasst, wäre mit herber Kritik zu rechnen gewesen. Diese Gedanken habe ich immer versucht auszublenden.

Wer schon einmal nach Australien gereist ist, weiß: Das ist eine Tortur.

Die Auswirkungen waren gewaltig, aber ich wollte das mit jeder Faser meines Körpers. Ich bin überzeugt, dass der Geist den Körper steuern kann. Ich will der österreichischen Mentalität des Raunzens und des Suchens nach Ausreden keinen Platz bieten.

Sie werden in eineinhalb Wochen 33 Jahre alt. Wähnen Sie sich auf der Zielgeraden ihrer Karriere?

Ich glaube, ich habe noch ein paar Jahre auf dem aktuellen Niveau vor mir, fühle mich fit genug, um auch die WM-Qualifikation im Herbst zu spielen. Vorausgesetzt, der Teamchef möchte mich dabei haben.

Sie wollen Ihre Teamkarriere nach der Euro also fortsetzen?

Ich kann mir prinzipiell alles vorstellen. Als im Vorjahr die Schlagzeile aufkam, dass ich nicht weiß, ob ich nach der Euro im ÖFB-Team weitermache, war mir das ehrlich gesagt unangenehm. Ich nehme mich selbst nicht so wichtig. Vielleicht möchte Marcel Koller nach der Euro einen Schnitt machen, jüngeren Spielern eine Chance geben, was ja durchaus legitim wäre. Aktuell weiß ich einfach noch nicht, wie es weitergeht. Vielleicht verschlägt es mich im Sommer woanders hin. Vielleicht bleibe ich in Basel, was ich mir sehr gut vorstellen kann. Ich sehe das relativ entspannt.

Hegen Sie konkrete Pläne, wie es nach der aktiven Karriere weitergehen soll?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Kicker in der NFL werde – ich schieße nämlich nicht so weit wie der Fuchsi (Christian Fuchs, Anm.). Aber ich möchte dem Fußball auf jeden Fall erhalten bleiben, in welcher Form auch immer. Die gleiche Erfüllung wie als Fußballer zu finden wird zwar schwierig, aber langweilig wird mir bestimmt nicht werden.

Steckbrief

Marc Janko wurde am 25. Juni 1983 in Wien geboren.

Janko kommt aus einer Sportlerfamilie. Mutter Eva gewann bei den Olympischen Spielen 1986 in Mexiko-Stadt Bronze im Speerwurf, Vater Herbert war mehrfacher österreichischer Meister im Hochsprung.

Janko erlernte das Fußballspielen bei der Admira, später ging er für Salzburg, Twente Enschede, FC Porto, Trabzonspor und Sydney FC auf Torjagd. Seit Sommer 2015 stürmt der 32-Jährige für den Schweizer Meister FC Basel.

Für das Nationalteam traf Janko in 53 Spielen 26-mal. In der ÖFB-Bestenliste liegt er damit auf Rang sechs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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