Extremisten-Aufmarsch: Wiener Polizei verteidigt Waffeneinsatz

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Mit Pfefferspray machte die Exekutive die Route für die Demo der Identitären frei. Daran gibt es deutliche Kritik. Laut Polizei war das aber notwendig.

Wien. Der Wiener Gürtel war am Samstag Aufmarschgebiet für Extremisten aus dem rechten und linken Lager. Hier die Identitären, die sich gegen „Islamisierung“ und den „großen Austausch“ aussprechen, dort verschiedene linke Gruppen, die deren Demonstration verhindern wollten. Zwischen den gewaltbereiten Fronten stand mit 1000 Männern und Frauen die Staatsgewalt in Form der Wiener Polizei. Der Auftrag: Das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit wahren, beiden Seiten die Möglichkeit geben, sich zu äußern und gleichzeitig darauf achten, dass es beim Aufeinandertreffen der weltanschaulich weit von einander entfernten Pole nicht zu Straftaten kommt.

Ob der Einsatz gelang, darüber wird nun lautstark diskutiert. Nach Meinung einiger Teilnehmer und Beobachter der linken Gegendemonstration hätte die Polizei nämlich unverhältnismäßig Gewalt, konkret Pfefferspray und Schlagstöcke, eingesetzt. Ein vom ORF beauftragtes Filmteam gab an, von Polizisten geschlagen worden zu sein, obwohl es sich als Journalisten zu erkennen gab. Und es tauchten Vorwürfe auf, die Exekutive sei mit ihrem Vorgehen solidarisch mit den Rechtsextremen aufgetreten. Das von Kommunisten, Sozialisten und Grünen gebildete Vorsitzteam der Hochschülerschaft der Universität Wien etwa behauptete: „Die Wiener Polizei beschloss, den rechtsextremen Neofaschisten den Weg mit Pfefferspray und Schlagstöcken freizuprügeln.“

Dass Ordnungskräfte die Kritik politisch extremer Pole ernten, ist nicht neu. Seit einiger Zeit jedoch werden die gegenseitigen Schuldzuweisungen immer öfter mit Bild- und Videomaterial untermauert. Für Debatten sorgt derzeit insbesondere ein im Internet verbreiteter Clip, in dem eine Gruppe von Polizisten mit Pfefferspray gegen die Gegendemonstranten vorgeht. Und zwar ohne vorher angegriffen worden zu sein. Zumindest ist das in dem 23 Sekunden dauernden Video nicht zu sehen. Was war geschehen? Wie war das möglich? Und ging die Polizei mit zu viel Gewalt vor?

Bericht zu jedem Waffeneinsatz

Am Tag nach den Demos mit sieben Festnahmen und 13 Verletzten (darunter vier Polizisten) war die Exekutive damit beschäftigt, die Ereignisse aufzuarbeiten. „Über jeden Waffeneinsatz, Pfefferspray und Schlagstöcke gehören dazu, muss ein Bericht gelegt werden. Stellen wir fest, dass der Einsatz ungerechtfertigt war, gibt es Konsequenzen“, sagt Behördensprecher Patrick Maierhofer. Die Szenen aus dem Video gehörten jedoch – trotz der drastischen Bilder – nicht dazu. Das ergebe sich aus der Gesamtlage vor Ort, die im Video tatsächlich nicht zu erkennen ist.

Aufgabe der Polizei ist es, jede angemeldete und genehmigte Demonstration zu ermöglichen. Unabhängig von der dort propagierten Weltanschauung. Weil der Zug der Identitären jedoch mehrfach von Sitzblockaden gestoppt wurde und dabei Flaschen, Steine und Stangen geworfen wurden, entschied die Einsatzleitung gemeinsam mit den Veranstaltern, die Route zu ändern, auf den Gürtel zu verlegen. Aus Sicherheitsgründen, wie die Polizei betont. Immerhin sei das Stören von Versammlungen eine Straftat.

Allerdings kamen einander auch auf der neuen Route Demonstranten und Gegendemonstranten gefährlich nahe. Wieder flogen Gegenstände, und die Sitzblockaden wurden trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Polizei nicht aufgelöst. Das, hieß es am Sonntag, habe auch den Einsatz von Pfefferspray ohne unmittelbaren Angriff auf einen Polizisten gerechtfertigt.

Die Grundlage dazu steht in Paragraf 2 Absatz 2 des Waffengebrauchsgesetzes. Beamte dürfen Dienstwaffen einsetzen, wenn Dritte Widerstand gegen eine rechtmäßige Amtshandlung (etwa Ermöglichung einer Demonstration) leisten. Beharrlicher passiver Widerstand reiche dazu aus. Dennoch wird die Exekutive den Einsatz weiter analysieren. Zur Auswertung stehen zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen von mobilen Beweissicherungsteams, einem Überwachungswagen sowie des eingesetzten Helikopters. Mit Ergebnissen ist ab Mitte der Woche zu rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

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