Grünen-Abgeordneter Özdemir fordert Antwort Berlins auf Drohungen aus Ankara.
Berlin. Während die Regierung in Ankara nach der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages noch an Vergeltungsmaßnahmen arbeitet, sind die türkischstämmigen Abgeordneten in Berlin zur Zielscheibe geworden. Nach Beleidigungen, Drohungen und Mordaufrufen durch türkische Nationalisten forderte nun Grünen-Chef Cem Özdemir am Montag die Regierung in Berlin auf klarzustellen, dass es „mit Präsident Erdoğan, mit diesem Kurs, den die Türkei gegenwärtig fährt, keine EU-Mitgliedschaft gibt“. Die Resolution vor knapp zwei Wochen hatte die türkischen Massaker an den Armeniern vor rund 100 Jahren als Völkermord verurteilt. Die elf türkischstämmigen Parlamentarier von CDU, SPD, Grünen und Linken, die für die Resolution gestimmt hatten, stehen inzwischen unter Polizeischutz. Laut „Spiegel“ rät das Auswärtige Amt den Betroffenen auch von Türkei-Reisen ab: Für ihre Sicherheit könne nicht garantiert werden. Außenamtssprecher Martin Schäfer relativierte den Bericht am Montag: Die Sicherheitssituation für die Parlamentarier werde noch geprüft. „Es gibt keine Reisewarnung.“
Einreiseverbote?
Die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen, auf die angeblich ein Kopfgeld von 100.000 Euro ausgesetzt wurde, sprach von einer „neuen Qualität“ der Angriffe. Sie forderte, ein Einreiseverbot für all jene zu verhängen, die in der Türkei zur Gewalt gegen deutsche Abgeordnete aufrufen. Dağdelen: „Dazu gehört auch Präsident Erdoğan.“ Der Staatschef hatte mit seinen Aussagen – etwa der Forderung nach Bluttests zum Beweis der türkischen Abstammung – die Stimmung gegen die Parlamentarier stark angeheizt. Der türkisch-islamische Dachverband Ditib sprach angesichts des Votums von einem „riesigen Vertrauensverlust“. Die Mitglieder fühlten sich von den Abgeordneten nicht mehr repräsentiert. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2016)