"Wer sich nicht anpasst, geht unter"

Eveline Steinberger-Kern
Eveline Steinberger-Kern
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Gegen technologischen Wandel anzukämpfen hieße, gegen den Sonnenaufgang zu demonstrieren, sagen Eveline Steinberger-Kern, Markus Wagner und Nikolaus Pelinka. Mit ihrem Innovation Club wollen sie Ängste in Chancen verwandeln.

Herr Wagner, wie verpflanzt man österreichische Unternehmer ins Silicon Valley?

Markus Wagner: Ich helfe Unternehmen in Mitteleuropa, in den USA Fuß zu fassen. Da geht es also nicht ums Verpflanzen, sondern um Expansion in die USA, aber auch um strategische Beteiligungen und Käufe. Diese Unternehmen befinden sich in den verschiedensten Entwicklungsstufen. Was sie gemeinsam haben, ist der Sprung zur Internationalisierung.

Verbringen Sie also die meiste Zeit in den USA?

Ja, üblicherweise bin ich alle zwei, drei Monate ein paar Wochen auf Europa-Tour.

Mit dem Innovation Club wollen sie heimische Unternehmen dazu bringen, etwa ins Silicon Valley zu gehen, also auf diesen Innovationszug aufzuspringen. Müsste jungen IT-Unternehmen nicht ohnehin klar sein, wo die Musik spielt? Weshalb braucht es da noch einen „Nachhilfeunterricht“?

Eveline Steinberger-Kern: Die besten Computerexperten sind nun einmal im Silicon Valley. Dort ist in 25 Jahren ein hervorragendes Ökosystem entstanden. Wer dort studiert, gründet vielleicht später ein Unternehmen und investiert auch im Silicon Valley. Nicht nur, weil er ein perfektes Netzwerk vorfindet, sondern weil die besten Computerwissenschaftler einen gesellschaftlichen Status erfahren, den sie andernorts nicht haben. Wir hoffen, und das ist jetzt die Brücke zu unserem Innovation Club, dass wir ein derartiges Ökosystem auch in Österreich etablieren können.

Nikolaus Pelinka: Am Anfang des Innovation Club stand die Erkenntnis, dass sich ein großer Teil der etablierten Wirtschaft in Österreich auf die digitale Transformation schlecht vorbereitet fühlt. Auf 61 Prozent der Unternehmen in Europa trifft das zu.

Und dann kam die Brücke.

Pelinka: Ja, und sie soll Unternehmen aus verschiedenen Industrien in eine Welt führen, die in vielen Bereichen Trends der nächsten Jahre aufzeigt. Etwa im Energiesektor, in der Kommunikation oder bei den Finanzdienstleistungen. In allen Sektoren sehen wir Entwicklungen, die Einfluss auf die Geschäftsmodelle etablierter großer Konzerne haben.

Siehe Kodak, Nokia und Co.

Pelinka: Jedem Unternehmer muss klar sein, dass sein Geschäftsmodell in kürzester Zeit obsolet sein kann. Welcher Hotelier hätte vor zehn Jahren gedacht, dass sein Geschäft von einer Plattform names Airbnb beeinträchtigt werden wird? Hätte ein Taxiunternehmen gedacht, dass eine digitale Plattform wie Uber seine Existenz infrage stellt?

Aber kann man einen Dinosaurier „auf den Wandel vorbereiten“? Müssen sich nicht auch Branchen damit abfinden, dass sie sterblich sind, dass die Brücke in ihrem Fall ins Jenseits führt?

Wagner: Einem IT-Unternehmen muss ich nicht sagen, dass es im Silicon Valley gut aufgehoben ist. Für eine Lackfirma aus der Steiermark ist hingegen nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum es sich auch für sie lohnt, dorthin zu gehen. Ein Großteil der Automobilkonzerne hat seine Forschungsabteilung mittlerweile im Silicon Valley. Die Lackfirma sucht dort keine Investoren, sondern kann Trends ablesen und Geschäfte anbahnen.

Mit anderen Worten: Selbstfahrende Autos werden auch lackiert.

Wagner: Und dann greift das eine ins andere. Natürlich wollen diese innovativen Unternehmen einen „neuen“ Lack. Und dieser entsteht im Dialog mit den Kunden vor Ort. Und weil gerade im Silicon Valley alle mit ihren selbstfahrenden Skateboards unterwegs sind: Dazu braucht es auch Schrauben und Kugellager und nicht nur Technologie. All diese Entwicklungen etwa in der Robotic eröffnen einem Industriezuliefer-Land wie Österreich große Chancen.

Steinberger-Kern: Es gehen damit auch sehr viele kulturelle Veränderungen einher. Dafür ist Silicon Valley ebenso ein gutes Beispiel. Ich nenne es unternehmerische Nächstenliebe. Die Leute sind nicht neidisch, sondern tragen zum Erfolg der anderen bei. Weil sie das irgendwann wieder zurückbekommen. Das kennt man hierzulande nicht in diesem Ausmaß. Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass sich alles im Silicon Valley abspielen muss. Im Gegenteil: Man sollte die guten Dinge adaptieren und die Wertschöpfung möglichst im eigenen Land generieren. Wir haben hervorragende Branchenkompetenz in Österreich, etwa in den Bereichen Bio-Tech, Automotive und Umwelttechnologie. Aber eines ist auch klar: Wer sich nicht anpasst, geht unter. Dieser Satz ist vom Science-Fiction-Autor H. G. Wells. Die digitale Transformation ist ein Fakt, auch wenn es manche nicht mögen. Sie kriecht in alle Sektoren und Branchen. Wir reisen mit Unternehmen ins Silicon Valley, aber auch nach Israel, und versuchen so, Impulse zu geben.

Pelinka: Im vergangenen Jahr haben wir fünf solche Reisen mit etwa 30 österreichischen Topmanagern organisiert. Wir wollen das im kommenden Jahr wiederholen. Das ist also so etwas wie eine Expedition zur Innovation, und da bleibt sehr viel hängen. Es sind viele gute Kontakte, Initiativen und Ideen entstanden.

Aber findet in der heimischen Industrie nicht ohnehin permanent Innovation statt? Wären Voestalpine oder Andritz nicht längst Geschichte, würden sie dasselbe machen wie vor zwanzig Jahren?

Pelinka: Absolut. McKinsey hat allerdings untersucht, wie lang technologische Neuerungen brauchen, um einen Markt von 50 Millionen Menschen zu erobern: Beim Radio hat es 38 Jahre gedauert, das Fernsehen hat 13 Jahre gebraucht, und der Kurznachrichtendienst Twitter hat dafür neun Monate benötigt. Das zeigt, wie schnell heute Technologie-Adaption stattfindet. Innovation ist also kein Thema, das bei einer jährlichen Klausur abgehandelt wird, sondern ein permanenter Prozess.

Steinberger-Kern: Das sind einfach Wetten auf die Zukunft. Man braucht sich ja nur den Google-Mutterkonzern Alphabet anzuschauen. Dort wird permanent in den digitalen Transformationsprozess investiert. Etwa in die Kontaktlinse, die den Blutzucker misst. Oder in das selbstfahrende Auto. Geld verdient man vorerst nur mit Google. Aber die Investoren glauben an die Zukunftswetten. Deshalb hat Alphabet bereits auch Apple als wertvollsten Konzern der Welt abgelöst.

Aber spätestens da steigt jetzt die Lackfirma aus der Steiermark aus, oder?

Wagner: Überhaupt nicht. Das Apple iCar wird schließlich auch eine Lackierung brauchen. Und ein österreichischer Mittelbetrieb hat heute zwar auch globale Konkurrenz, er kann aber genauso den Weltmarkt erobern, wenn er sich dorthin begibt.

In der öffentlichen Debatte überwiegt nicht die Chance auf den Weltmarkt, da wird die Digitalisierung als eine neue dunkle Bedrohung wahrgenommen.

Steinberger-Kern: Da kann man auch nicht widersprechen. Es kann schon Angst machen, wenn man in die Zukunft schaut. Weil man davon ausgehen muss, dass viele Jobs verloren gehen werden. Dem muss man mit Bildung begegnen.

Pelinka: Aber dagegen anzukämpfen hieße, gegen den Sonnenaufgang zu demonstrieren. Wir können diese Entwicklung nicht negieren.

Steinberger-Kern: Und die Chancen sind vorhanden. Weltweit werden 1,5 Milliarden Digital-Jobs benötigt. Die Menschen müssen aber dafür ausgebildet werden.

Innovation Club

Eveline Steinberger-Kern leitet das Beratungsunternehmen The Blue Minds Company in Wien, das sich vor allem mit der Transformation des Energiesystems befasst. Sie ist mit Kanzler Christian Kern verheiratet.

Nikolaus Pelinka ist Geschäftsführer von Kobza Media. Er war bis 2011 Mitglied des ORF-Stiftungsrates.

Markus Wagner gründete mit 24 sein erstes IT-Unternehmen. Heute leitet er die Start-up-Schmiede i5invest.

Gemeinsam gründeten die drei den Innovation Club. Er soll Unternehmen auf den digitalen Wandel vorbereiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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