Rajoy warnt Spanier vor „russischem Roulette“

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SPAIN-POLITICS-VOTE-CAMPAIGN-PODEMOS-IGLESIAS(c) APA/AFP/GERARD JULIEN
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Bei der Wahl am Sonntag könnte die linksradikale Podemos die Sozialisten von Platz zwei verdrängen. Der Premier spricht bereits von „griechischen Verhältnissen.“

Madrid. In Spanien könnten die Tage des geschäftsführenden konservativen Regierungschefs Mariano Rajoy nun endgültig gezählt sein: Laut der neusten Umfrage der Tageszeitung „El País“ nähert sich die linke Protestpartei Unidos Podemos zusammen mit den Sozialisten der absoluten Mehrheit. Sollte sich dieser Trend bei der Parlamentswahl am Sonntag bestätigen, wäre die Zeit Rajoys, der nicht mehr als 30 Prozent der Stimmen erwarten kann, abgelaufen – keine andere Partei will mit ihm zusammenarbeiten und ihm eine Mehrheit verschaffen.

Rajoy warnt die Bürger zwar davor, „russisches Roulette zu spielen“ und vor der „Gefahr einer Regierung im Stile Griechenlands“. Er beschreibt das Linksaußen-Bündnis Unidos Podemos („Gemeinsam können wir es schaffen“) als ein Sammelbecken von „Bösen, Radikalen und Extremisten“. Doch die Angstkampagne gegen seinen härtesten Rivalen, den Unidos-Podemos-Anführer Pablo Iglesias, scheint bei den spanischen Wählern keinen größeren Eindruck zu hinterlassen. Die Linksallianz, die mit der griechischen Syriza sympathisiert und Spaniens Sparpolitik beenden will, rückt immer weiter vor und treibt Rajoy in die Enge.

(C) DiePresse

Laut der jüngsten Erhebung von „El País“ steigert sich das radikale Linksbündnis, das sich den Kampf gegen Korruption, wachsende Armut und Massenarbeitslosigkeit auf die Fahnen schrieb, auf 26 Prozent. Es liegt damit nur noch drei Punkte hinter Rajoys konservativer Volkspartei, die bei 29 Prozent stagniert und damit keine Chance hätte, weiter zu regieren. Der unaufhaltsame Aufstieg von Unidos Podemos schwächt zugleich die sozialdemokratisch orientierten Sozialisten, die auf 20,5 Prozent sanken und auf ein historisches Debakel zusteuern. Die liberal-bürgerliche Partei Ciudadanos kann sich mit 14,5 Prozent ebenfalls nicht wirklich verbessern.

In Spanien muss am 26. Juni neu gewählt werden, weil nach der ersten Wahlrunde im Dezember keine Regierungsmehrheit zustande kam. Der seit 2012 regierende Rajoy hatte im Dezember zwar gesiegt, aber seine absolute Mehrheit verloren. Weder Rajoy noch der damalige Zweitplatzierte, der Sozialist Pedro Sánchez, schafften es, eine Regierung zu bilden. Seitdem ist Ministerpräsident Rajoy nur geschäftsführend im Amt – Spanien ist seit Monaten politisch gelähmt.

„Spanien braucht einen Wechsel“

Korruptionsskandale innerhalb der Volkspartei haben Rajoys Ruf stark geschadet, deshalb will auch nach dem 26. Juni keine Partei ihm zu einer Regierungsmehrheit verhelfen. „Wir werden nicht für Rajoy stimmen“, sagte Sozialistenchef Sánchez und schloss damit wie bereits im Jänner eine große Koalition aus. Auch der bürgerliche Cuidadanos-Kandidat Albert Rivera, der ideologisch noch am ehesten auf Rajoys Linie liegt, erteilte dem Konservativen eine Absage: Seine Partei werde gegen Rajoy stimmen, denn Spanien brauche „Erneuerung und einen Wechsel“.

Sollte Rajoy erneut mit einer Regierungsbildung scheitern, könnte der Linksradikale Iglesias eine Chance bekommen. Er wird es freilich nicht einfach haben, eine Koalition zusammenzuschweißen: Die Sozialisten schlugen im Dezember wegen zu großer inhaltlicher Differenzen sein Angebot aus, gemeinsam eine „progressive Regierung“ zu bilden. Zudem scheiterte die Allianz an der für eine Mehrheit notwendigen Zustimmung der zum Teil separatistischer Regionalparteien. Doch bei einem deutlichen Erstarken der radikalen Linken könnte nun vielleicht auch ohne Hilfe der schwierigen Regionalparteien eine Mitte-Links-Regierung aus Unidos Podemos und Sozialisten zustande kommen. Dafür müsste aber Sánchez bereit sein, als Juniorpartner der Koalition beizutreten – was er bisher vehement verhinderte. Anderseits dürfte der Druck zur Verständigung dieses Mal größer sein. Die Wähler würden es wohl kaum verzeihen, wenn die Volksvertreter den Karren erneut an die Wand fahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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