Putin fordert "Schulterschluss" gegen alte und neue Feinde

Russlands Präsident Putin bei der Kranzniederlegung zum Gedenken.
Russlands Präsident Putin bei der Kranzniederlegung zum Gedenken.REUTERS
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Am 75. Gedenken des Angriffs Nazideutschlands auf die Sowjetunion erinnerte Präsident Wladimir Putin an die Heldentaten der Bürger - und forderte ein Zusammenrücken angesichts des internationalen Terrorismus.

Am Ufer der Moskwa stehen 1418 Kerzen: So viele Tage dauerte der „Große Vaterländische Krieg“. In Russland gedachte man am Mittwoch des Überfalls der Nationalsozialisten auf die Sowjetunion vor 75 Jahren mit Kranzniederlegungen, Kinovorführungen sowjetischer Klassiker, Schau von Kriegstechnik, kulinarischen Genüssen aus der Feldküche und Konzerten. Viele Jugendliche, die an den Veranstaltungen teilnahmen, trugen historische Kleidung oder Uniformen, die an das Schicksalsjahr 1941 erinnern sollten. Im Alexander-Garten neben dem Kreml waren die berühmten Worte des Radiosprechers Jurij Lewitan zu hören, der den Sowjetbürgern vom Kriegsbeginn in den Morgenstunden des 22. Juni 1941 berichtete: „Die deutsche Armee hat die Grenze der Sowjetunion angegriffen. Der Große Vaterländische Krieg hat begonnen.“

Auch Kremlchef Wladimir Putin legte dort, am Grabmal des unbekannten Soldaten, am Mittwoch einen Kranz nieder. In der Duma hatte er zuvor in einer Rede die Verdienste der „Heldengeneration“ gewürdigt. Putin blieb thematisch aber nicht nur in der Vergangenheit. Er nahm den Gedenktag zum Anlass, um auf von ihm gezogene Parallelen in der Gegenwart hinzuweisen. Die zerstörerische Kraft des Nationalsozialismus hätte gemeinsam verhindert werden können. Statt dessen hätten manche Mächte ihre Aufgabe im Kleinhalten der Sowjetunion gesehen und nicht den Nationalsozialismus als größte Bedrohung für Europa identifiziert.

Auch heute habe man wieder einen gemeinsamen Feind, folgerte Putin: den internationalen Terrorismus. Einmal mehr forderte er einen „Schulterschluss“ zwischen Ost und West und ein „modernes, blockfreies, für alle Staaten gleiches System der kollektiven Sicherheit“. Doch seine Vorschläge würden nicht erhört, die Nato führe ihre „aggressive Tätigkeit“ bereits nahe an russischen Grenze aus. Die Erhöhung der Abwehrbereitschaft seines Landes sei daher zentral.

"Verdienstvolle" Arbeit der Duma-Mandatare

Putins Auftritt war auch als Würdigung der Arbeit der Parlamentarier gedacht. Der mächtige Mann Russlands gab den Abgeordneten Ratschläge mit auf den Weg, die Abgeordnete hörten aufmerksam zu, manche schrieben gar mit. Das russische Parlament beendet Ende dieser Woche seine Arbeit, am 18. September finden Wahlen statt. Putin war in seiner Beurteilung wohlwollend. Er lobte die Tätigkeit der 450 Parlamentarier als „verdienstvoll“ und dankte ihnen für ihr „tiefes Verständnis der staatlichen Interessen Russlands“.

Das russische Parlament ist kein Ort kontroverser Debatten: Es wird von der Kreml-Partei Einiges Russland dominiert, andere Fraktionen gelten als sogenannte systemische Opposition, die den politischen Kurs der Führung nicht in Frage stellen. Die meisten Entscheidungen werden mit großer Mehrheit getroffen.

Besonders strich Putin die Hilfe der Abgeordneten bei der „rechtlichen Integration der Krim und Sewastopol“ hervor, wofür er den Applaus des Plenums erntete. Gemeint war Russlands Krim-Annexion vor mehr als zwei Jahren, die zu patriotischen Aufwallungen und hohen Zustimmungsraten für Putin und auch die Parlamentarier geführt hatte. Bezüglich der Parlamentswahlen sagte er, er erwarte Offenheit, einen „Kampf der Ideen, nicht einen Kampf von Verschwörungen“.

Zurück in "überwunden geglaubte Zeiten"

Auch deutsche Politiker äußerten sich am Mittwoch zu dem Jahrestag und dem aktuellen deutsch-russischen Verhältnis. Außenminister Frank-Walter Steinmeier schrieb in seinem Beitrag für russische, ukrainische und weißrussische Medien, nur gemeinsam könne man „eine nachhaltige und stabile Friedensordnung in Europa erhalten“. Derzeit drohten neue Trennlinien. „Die völkerrechtswidrige einseitige Veränderung von Grenzen und die Nichtachtung der territorialen Integrität von Nachbarstaaten - all das führt uns in überwunden geglaubte Zeiten zurück, die sich niemand wünschen kann.“ Diese Worte bezogen sich auf die Annexion der Krim und auf die Militärhilfe für prorussische Separatisten in der Ostukraine. Steinmeier hatte sich zuletzt für ein schrittweises Zurückfahren der EU-Sanktionen eingesetzt. Am Montag könnte SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Moskau reisen.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck erinnerte am 75. Jahrestag des Überfalls Hitler-Deutschlands an die Leiden sowjetischer Soldaten und Zivilisten. „Kein Land hat im Zweiten Weltkrieg so große Opfer gebracht wie die Sowjetunion: Fast 27 Millionen Menschen verloren ihr Leben“, betonte Gauck in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Beim Vormarsch der Roten Armee und später im sowjetischen Machtbereich sei neues Unrecht begangen worden, betonte Gauck. „Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Völker der Sowjetunion einen großen, unersetzlichen und unvergesslichen Anteil am Sieg über den Nationalsozialismus hatten“, sagte er. „Der Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion mahnt uns, die Bedeutung des Friedens erneut ins Bewusstsein zu rufen: Frieden ist nicht selbstverständlich.“

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