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Black Sabbath: Keine Sympathie für den Teufel

Nie ohne sein Kreuz: Gitarrist Tony Iommi vor seinem Bild auf der Videowand.
Nie ohne sein Kreuz: Gitarrist Tony Iommi vor seinem Bild auf der Videowand.(c) Stanislav Jenis
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Black Sabbath, die erste und wichtigste Band des Genres, ist auf ihrer letzten Tournee. In der Wiener Stadthalle verabschiedete sie sich in großer Form und Würde.

„Denk vielleicht nach, bevor du sagst, dass Gott tot ist. Mach die Augen auf, sieh ein, dass er der Eine ist, der Einzige, der dich von all der Sünde und dem Hass befreien kann.“ Nein, diese Zeilen sind nicht aus dem etwas ungeschickt formulierten Traktat eines christlichen – oder islamischen? – Missionars, sondern von der Band Black Sabbath, aus dem Stück „After Forever“, das bei ihrer Abschiedstournee „The End“ fix im Programm ist.

Von Black Sabbath? Aber das ist doch eine diabolische, wenn nicht satanistische Band? Unsinn. Das glauben nur jene – auch am Dienstag in der Wiener Stadthalle vertretenen – Flachdenker, die bei Metal-Konzerten gern Zeigefinger und kleinen Finger zum Teufelsgruß (weniger andächtig auch Pommesgabel genannt) recken.

Soll das heißen, dass die Urband des Heavy Metal eine verkannte Gospelformation ist? Auch das kann man nicht sagen. So einfach ist die Sache nicht. Und dass sie nicht so einfach ist, ist vielleicht eine Ursache für die Kraft dieser Band, die im 47. Jahr nach ihrer Gründung noch beeindruckt. Bassist und Texter Geezer Butler, wie so viele aus dem Metal-Genre fasziniert vom Düsteren, zeichnete in seinen Songs von Beginn an das Böse, den Teufel, den namensgebenden Hexensabbat. Meist im warnenden Tonfall – in „Into the Void“ schlägt er etwa den Gutgesinnten vor, ins All zu emigrieren und die Erde dem Satan zu überlassen –, manchmal scheinbar affirmativ: Im Song „N.I.B.“, musikalisch eine ins Dunkle gewendete Variation über „Sunshine of Your Love“, lässt er Sänger Ozzy Osbourne sich als Luzifer vorstellen, der den Menschen seine Liebe anträgt.

Gitarrist Tony Iommi, Sohn italienischer Gastarbeiter und – wie auch der irischstämmige Butler – katholisch erzogen, war dergleichen wohl in der Seele suspekt. Ob er den Text von „After Forever“ in diesem Sinn selbst geschrieben hat (immerhin wird er auf dem Cover von „Master of Reality“ als einziger Autor genannt) oder ob es doch Butler war, ist umstritten. Jedenfalls trägt er nicht nur ein großes Kreuz auf der Brust, sondern auch das Griffbrett seiner Gitarre ist mit etlichen Kreuzen verziert.

Unter einer eisigen Sonne

Auch wenn man nicht glauben muss, dass Iommi und Butler zwischen den Konzerten über Theologie debattieren, ernst sind ihnen diese Themen. Die Koketterie mit dem Abseitigen, überhaupt das Geblödel, das manche Metal-Bands so schwer erträglich macht, ist ihnen fremd. Auch wenn Sänger Ozzy Osbourne sich im Lauf seiner Karriere öfters zum Kasperl gemacht hat, ihre Musik ist grundsätzlich ernst und streng, von einer Konsequenz, die ebenso jemanden packt, der Heavy Metal eigentlich nicht liebt. Das spürte man in der Stadthalle von Beginn an, schon beim ersten, quälend langsamen Riff: Es war der Song „Black Sabbath“ selbst, optisch begleitet von züngelnden Flammen. Dann „Fairies Wear Boots“, mit einem weltlicheren Text, gespielt in bunterem Licht. Dann „After Forever“, bei dem man eine Idee von Swing zwischen der Gitarre Iommis und dem noch schwereren Bass Butlers keimen zu hören vermeinte: wie einen ganz blassen Schimmer Hoffnung, der in einen Abgrund fällt. Ausgestrahlt womöglich von der eisigen Sonne, von der später in „Behind the Wall of Sleep“ die Rede war.

Natürlich, der zähe Mahlstrom der Black Sabbath wirkt auf Dauer niederschmetternd, aber das soll er ja auch. Und wenn man kurz vor lauter tiefem Wummern die Konzentration zu verlieren drohte, kam auch schon wieder ein unwiderstehlicher Moment, etwa im anlässlich des Vietnam-Kriegs geschriebenen „War Pigs“, dessen Strophen das gesamte Parkett lauthals mitsang: eine machtvolle pazifistische Demonstration.

Die Setlist war archaisch – 14 Songs, mit einer Ausnahme alle aus den ersten vier Alben (aus den Jahren 1970 bis 1972) –, die Präzision des Zusammenspiels höchst überzeugend. Tommy Clufetos ersetzte Schlagzeuger Bill Ward, den einzigen aus der Urbesetzung, der nicht mehr dabei ist, mit großer Wucht. Ob Osbournes Stimme gelitten hat, darüber kann man streiten, wenn's darauf ankommt, schneidet sie noch immer durch jeden Nebel. Sogar seine Versuche, einen Showman zu spielen, waren nicht wirklich störend; dass er sich dauernd danach erkundigt, ob alle im Publikum „fun“ haben – Spaß bei Black Sabbath: Was für ein Widerspruch! –, das wird man ihm nicht mehr abgewöhnen. Dieser Band ist es offenbar auch ernst damit, dass dies wirklich ihre letzte Tournee ist. Man kann ihr nachrufen: Sie hat sich im Harnisch verabschiedet, in großer Form und Würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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