Viel Spaß, doch wenig Poesie beim „Sommernachtstraum“

Mr. Right gefunden - oder doch nicht? Hermia (Julia Richter" und Lysander (Benjamin Vanyek)
Mr. Right gefunden - oder doch nicht? Hermia (Julia Richter" und Lysander (Benjamin Vanyek)(c) Sommerspiele Perchtoldsdorf/LALO Lucia JODLBAUER
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"Die Paarungszeit ist um, was vögelt Ihr hier im Wald herum?" Die Sommerspiele Perchtoldsdorf feiern heuer ihren 40. Geburtstag. Intendant Michael Sturminger inszenierte Shakespeare.

„Klassischer Klamauk“, urteilte einer der Besucher nach der Premiere von Shakespeares „Sommernachtstraum“ Mittwochabend vor der Perchtoldsdorfer Burg. Das trifft es durchaus. Klamauk gehört freilich zum Klassiker Shakespeare. Michael Sturminger, Intendant der Sommerspiele, hat inszeniert. Die Eröffnung ist witzig: Ein Intellektueller mit Brille will ein Stück darbringen, die Schauspieler sitzen im Publikum, werden heraus gefangen, geben vor, sehr erstaunt und unbeholfen zu sein und lassen sich schließlich überreden.

Auch später erfahren wir viel von Freud, Leid und Skurrilitäten des Bühnenlebens: Hier sind die Handwerker unter sich. Der Held will alles machen, der Autor hat große Pläne, aber die Darsteller verweigern sich, weil sie befürchten, sie könnten die Zuschauer erschrecken. Wie macht man eine Wand, den Mond? Der Regisseur ist überfordert, die Mimen müssen es mal wieder richten – sie tun es, machen sich aber über ihren Boß lustig, rollen mit den Augen oder kommen zu spät. Selbst der Herzog, ein Politiker, schnitzt bloß ein bisschen herum am Baum des Großen und Ganzen. Ständig verwechselt er seine jugendlichen Untertanen, harte Entscheidungen kann er nicht leiden, aber was soll er machen? Das System zwingt ihn, zu handeln, wie er es tut.

Komik im Kampf der Geschlechter

Eine verhängnisvolle Affäre für Handwerker Zettel: Veronika Glatzner mit ihrer Elfenschar
Eine verhängnisvolle Affäre für Handwerker Zettel: Veronika Glatzner mit ihrer Elfenschar(c) Sommerspiele Perchtoldsdorf/LALO Lucia JODLBAUER

In seinem „Sommernachtstraum“ hat Shakespeare eine Vielzahl von Handlungsfäden verschlungen: Paare verfehlen sich oder kommen zusammen, ein Herzog will sich vermählen, sein Alter ego, der Feenkönig Oberon hat Streit mit seiner Titania, Elfen spuken ... Auf der Arena-Bühne sorgt Sturminger für überreichlich Kurzweil. Seine Paare offenbaren die Beliebigkeit der Leidenschaft, ein Windhauch oder ein Tröpfchen Aphrodisiakum kann die Leute komplett in eine andere Richtung schleudern, später leiden sie oft unter Gedächtnisschwund. Vor der Vereinigung muss erst einmal mit Flucht-, Fessel-und Würgespielen für Spannung gesorgt werden. Erst schleppt die Frau den Mann, dann springt er ihr auf den Rücken. Am überzeugendsten von den Vieren, die im "Alles-ist-möglich"-Wald nach Erfüllung suchen, ist Sophie Aujesky als unglückliche Helena, erst will sie keiner, dann buhlen gar zwei um sie.

Unfreiwillige Akrobatik für Hippolyta/Titania

Feenkönig Oberon liefert sich einen Machtkampf mit seiner Titania. Dabei scheut er auch vor der Verabreichung von "Drogen" aus der Natur nicht zurück: Andreas Patton
Feenkönig Oberon liefert sich einen Machtkampf mit seiner Titania. Dabei scheut er auch vor der Verabreichung von "Drogen" aus der Natur nicht zurück: Andreas Patton(c) Sommerspiele Perchtoldsdorf/LALO Lucia JODLBAUER

Andreas Patton zeichnet lässig, aber etwas zu routiniert Theseus und Oberon. Veronika Glatzner rast voll Temperament auf die Bühne, sie spielt Hippolyta und Titania, doch den Furor dieses ersten Auftritts erreicht sie nicht mehr. Außerdem hat die Ausstattung (Bühne, Kostüme: Renate Martin und Andreas Donhauser) ihre teils spektakulären transparenten Roben so gestaltet, dass die Bedauernswerte ständig drüber zu stolpern droht: Böse. Der indische Knabe, um den Oberon und Titania kämpfen, ist ein Scheidungsopfer. Arthur Berghammer spielt ihn und berührt stark in der kurzen Zeit, da er auf der Bühne ist. Oberon nimmt dem Buben die Mundharmonika weg, der Bursch umarmt Titania, muss aber zusehen, wie sich seine Eltern erbarmungslos um ihr "Adoptionskind" bekriegen. Markus Kofler ist für den Autor-Regisseur Squenz die ideale Besetzung, Nikolaus Bartons Zettels könnte mehr Untiefen vertragen, als Kabarettfigur (mit dem Eselsschwanz vorn montiert und als Beatnik) zieht er viel Gelächter auf sich. Raphael Nicholas erfreut als schüchterner Löwe, der sich frei spielt und vom Rampenlicht gar nicht mehr genug bekommen kann sowie als hochmusikalischer Elf. Überhaupt ist die Musik von Robin Goodfellow & The Orchestra of the Enelvement sehr schön und stimmig gelungen.

Sommerspiele mit städtischem Flair

Viele Rollen sind doppelt besetzt: Karl Walter Sprungala begeistert als Puck und Egeus. Oberons Gehilfe ist hier mehr die rechte Hand des Chefs, manchmal lässt er Oberon einfach "anrennen", wenn dieser ihn zu sehr quält. Dieser Puck mit buntem Jackett und Rasta-Perücke wirkt wie ein Esoterik-Guru, der schon manche Lehren an seinen Jüngern erprobt hat. Jetzt will er schnell mal Hermia küssen, gerade noch rechtzeitig fällt ihm ein: "Die ist ja viel zu jung für mich!" Als Egeus, Hermias Vater, dessen Tochter ihm entwischt ist, trägt Sprungala geckenhaftes Orange und Karos, tobt aber wie Alberich. Im Finale sorgt Puck für die zarte Poesie, die dieser Aufführung fehlt. Das Gespenstische, Traumwandlerische, der Schrecken des Selbstverlusts durch Liebe und Angst, von dem der „Sommernachtstraum“ auch handelt, all dies ereignet sich hier kaum. Es ist merkwürdig, dass Sturminger sein vieles Wissen über Shakespeare nicht wirklich überzeugend umsetzen konnte. Amüsant ist die neue Übertragung der berühmten Komödie von Angelika Messner und Martina Theissl, sie folgt im Wesentlichen dem Original, wirkt aber klarer, moderner, schnörkellos und wird mit ihren Extempore-Elementen vor allem Jüngeren gefallen.

Das Premierenpublikum spendete viel Beifall. Die Sommerspiele Perchtoldsdorf haben sich in diesen 40 Jahren zu ihrem Vorteil verändert und bedienen nun auch ein anspruchsvolles an städtischen Maßstäben orientiertes Publikum.

>> www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at

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