Der Täter ist tot, ein Polizist schwebt noch in Lebensgefahr. Die Polizei sucht nach weiteren Identitäten des Räubers, denn sein Vorgehen gleicht vielen anderen Fällen.
Wien. Zwei schwer verletzte Polizisten einer Bezirkswache in Penzing – einer davon schwebt in Lebensgefahr – und ein Toter. Das ist die Bilanz eines Raubüberfalls auf einen Supermarkt Samstagabend in der Hütteldorfer Straße im 14. Bezirk.
Der 49-jährige Bosnier hatte sich kurz vor Ladenschluss in die Billa-Filiale einsperren lassen, bedrohte dort zwei Angestellte und verlangte die Herausgabe von Geld. Er fesselte sie mit Kabelbindern, einem Mitarbeiter gelang es aber, vorher den Notruf zu drücken. Drei Funkstreifen aus einer nahe gelegenen Polizeistation machten sich auf den Weg. Als diese durch den Hintereingang in das Geschäft eindringen wollten, lief der Täter schießend auf die Polizei zu, und auch die Polizisten gaben Schüsse ab. Obwohl der Mann getroffen wurde, gelang ihm die Flucht.
Er brach wenig später in eine Wohnung ein und sprang von dort aus dem Fenster auf ein darunter gelegenes Vordach. „Es gelang uns erst mit dem Hubschrauber, den Mann dort zu entdecken“, sagt Polizeisprecher Paul Eidenberger zur „Presse“. Als die Wega den Mann stellen wollte, eröffnete dieser abermals das Feuer. Die Wega-Beamten schossen zurück. Der Mann wurde tödlich getroffen, zwei Beamte wurden schwer verletzt. Ein Polizist wurde am Kopf getroffen und kämpft im Spital noch immer ums Überleben. Der junge Mann soll laut „Presse“-Informationen erst Mitte 20 und seit Kurzem im Dienst sein.
Weitere Identitäten gesucht
Aufgrund eines mitgeführten Ausweises konnte eine Identität des Täters festgestellt werden – Vorstrafen wurden unter diesem Namen keine gefunden. Die Polizei überprüft nun aber anhand von Fingerabdrücken, ob der Mann vielleicht unter einem anderen Namen schon straffällig geworden ist. „Sein Vorgehen ist hochprofessionell, der hat das bestimmt nicht zum ersten Mal gemacht“, so Eidenberger. Und tatsächlich sucht die Polizei schon länger einen Supermarkträuber, auf den dieser Modus Operandi sowie die Beschreibung des Äußeren passen könnte.
Gerade in Penzing ist es in den vergangenen Monaten mehrmals zu Raubüberfällen gekommen, zeigen „Presse“-Recherchen. Erst Anfang Juni wurde ein Supermarkt in der Missindorfstraße überfallen – allerdings vor Ladenöffnung. Zwei mit Sturmhauben maskierte Täter bedrohten einen Verkäufer und flüchteten mit Bargeld aus der Kasse.
Ende April überfiel ein Mann am Abend einen Supermarkt in der Hickelgasse, als drei Mitarbeiter das Geschäft nach Ladenschluss verlassen wollten. Auch hier wurden die Opfer mit Kabelbindern gefesselt – derselbe Supermarkt wurde Ende Jänner schon einmal überfallen: Damals wurde der 26-jährige Filialleiter mit einer Waffe ins Geschäft zurückgedrängt, gezwungen, den Tresor zu öffnen, und danach gefesselt.
Auch im April und im Oktober 2015 wurde eine Supermarktfiliale in der Hütteldorfer Straße überfallen. Das Vorgehen gleicht den zuvor beschriebenen Fällen.
Nur Verletzte oder Tote gab es in all diesen Fällen vorher glücklicherweise nicht. Laut Statistik des Innenministeriums wurden im Jahr 2015 in ganz Österreich 1983 Polizisten während der Dienstzeit verletzt – 992 davon durch Fremdeinwirkung.
Selten Tote bei Polizeieinsätzen
Laut aktueller Kriminalstatistik wurden vergangenes Jahr insgesamt 5501 Straftaten mit einer Waffe begangen. In 1354 Fällen wurde diese auch abgefeuert – zwölfmal starb dabei jemand, 66-mal wurde jemand verletzt.
Zuletzt gab es bei einem Einsatz der Polizei 2014 einen Toten: Ein 21-Jähriger flüchtete nach einem gescheiterten Tankstellenüberfall in Niederösterreich, wird bei Neunkirchen gestoppt und bedrohte die Beamten mit einer Waffe – wie sich später herausstellt einer Softgun. Die Polizisten eröffnen das Feuer, der Mann wird neunmal getroffen.
Die Politik äußerte ihr Mitgefühl. Wiens Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), sagte: „Die Brutalität des Überfalls macht betroffen und zeigt, dass wir alles tun müssen, um die Polizei personell und technisch optimal auszustatten.“ Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) meinte: „Meine Gedanken sind bei den Familien und Angehörigen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2016)