Chaos um Tengelmann-Übernahme

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Ein deutsches Gericht hat die Ministererlaubnis für die Fusion mit Edeka gestoppt, Minister Gabriel wehrt sich dagegen. Ein Ende des Streits ist nicht abzusehen.

Wien. Neue Wende im Streit um die Fusion der deutschen Handelsketten Edeka und Kaiser's Tengelmann: Edeka darf seinen angeschlagenen Mitbewerber vorerst doch nicht übernehmen. Zwar hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im März dafür eine Sondererlaubnis erteilt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stoppte diese aber am Dienstag via Eilentscheidung.

Der Minister will das nicht auf sich sitzen lassen, er kündigte gestern Rechtsmittel an. Fürs Erste hat sich in dem Streit jedoch Rewe durchgesetzt: Dieser Konzern war, wie auch ein weiterer Kaufinteressent, gegen die Ministererlaubnis vor Gericht gezogen.

Die Möglichkeit einer Ministererlaubnis ist eine Besonderheit in Deutschland. Wenn dort das Kartellamt einen Zusammenschluss untersagt, weil es eine zu hohe Marktkonzentration ortet, können sich die Fusionswilligen an den Wirtschaftsminister wenden. Dieser prüft, ob gesamtwirtschaftliche Vorteile oder Interessen der Allgemeinheit den Zusammenschluss trotzdem rechtfertigen. Unter solche Gemeinwohlbelange fällt etwa die Sicherung von Arbeitsplätzen. Der Minister kann dann die Fusion erlauben, was wiederum der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das gerichtliche Eilverfahren ist mit einer einstweiligen Verfügung vergleichbar: Es bewirkt, dass die Übernahme bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts nicht vollzogen werden darf.

„Besorgnis der Befangenheit“

Genau so war es im Fall Edeka/Tengelmann: Das Kartellamt hatte die Fusion untersagt, die Monopolkommission – deren Stellungnahme vor einem Ministerentscheid eingeholt werden muss – sprach sich ebenfalls dagegen aus. Minister Gabriel erlaubte den Zusammenschluss trotzdem (was zur Folge hatte, dass der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, aus Protest zurücktrat).

An dem Ministerentscheid ließ nun der Richtersenat kein gutes Haar: Er habe sich schon nach vorläufiger Prüfung als rechtswidrig erwiesen. Unter anderem bestehe die „Besorgnis der Befangenheit“. Eine entscheidende Rolle spielte dabei das konkurrierende Übernahmeangebot von Rewe: Dieses habe von Anfang an den Erhalt aller 16.000 Stellen bei Tengelmann vorgesehen. Das Angebot von Edeka sei dagegen erst nachträglich nachgebessert und an jenes von Rewe angepasst worden – nach zwei Sechsaugengesprächen des Ministers mit Repräsentanten von Edeka und Tengelmann. Worum es in diesen Gesprächen ging, wurde laut dem Gericht nie aktenkundig, auch die weiteren Verfahrensbeteiligten erfuhren davon nichts.

Auch inhaltlich übt der Senat Kritik. So habe sich der Minister in Sachen Arbeitsplatzerhalt mit der Zusage zufriedengegeben, die Stellen bei Tengelmann zu erhalten – aber nicht geprüft, ob womöglich bei Edeka nach der Fusion ein Jobabbau droht.

Diskussion in Österreich

Minister Gabriel weist diese Vorwürfe zurück, damit geht der Streit wohl in die nächste Runde. Auch Edeka und Tengelmann können Rechtsmittel gegen die Eilentscheidung ergreifen. Zudem steht der abschließende Gerichtsentscheid über die Beschwerde von Rewe noch aus. Gegen die Entscheidung des Kartellamts sind ebenfalls noch Rechtsmittel anhängig. Bis über all das abgesprochen ist, wird es Monate dauern, wenn nicht Jahre.

Auch in Österreich wird immer wieder diskutiert, ob das Instrument der Ministererlaubnis eingeführt werden sollte – jüngster Anlass war die Zielpunkt-Pleite. Wettbewerbsaspekte würden dann von politischen Erwägungen getrennt, meinen Befürworter. Derzeit prüfen die Wettbewerbsbehörden Fusionen, untersagen kann sie nur das Gericht. „Prüfmaßstab darf nur sein, ob eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird“, sagt Anita Lukaschek, Kartellrechtsexpertin bei Baker & McKenzie, zur „Presse“. In bestimmten Fällen könne es auch eine volkswirtschaftliche Rechtfertigung für Fusionen geben. „Wettbewerbsfremde Argumente dürfen aber nicht einfließen.“

Ist das gut so? Ja, meint Lukaschek, die selbst jahrelang Mitarbeiterin der Bundeswettbewerbsbehörde war. Könnte eine Gerichtsentscheidung politisch korrigiert werden, wäre das rechtsstaatlich bedenklich – auch wenn der aktuelle Fall zeigt, dass die Möglichkeit, gegen eine Ministererlaubnis gerichtlich anzukämpfen, nicht nur graue Theorie ist: Am Ende haben trotz allem Richter das letzte Wort, „damit ist die Rechtsstaatlichkeit wieder gegeben“.

Aber: Verfahren dauern dadurch noch länger. Und, so Lukaschek: „Wer weiß, ob eine Fusion dann wirtschaftlich überhaupt noch sinnvoll ist.“ Auch für Tengelmann kann es noch eng werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2016)

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