Höchste Zeit für eine amerikanische Volkspartei

Wenn sich eine Partei ein halbes Jahrhundert lang stets von leichtfertigen Radikalen erpressen lässt, blüht ihr am Ende ein Kandidat wie Donald Trump.

Vorige Woche begab sich etwas, was den Zustand und das Politikverständnis der Republikanischen Partei auf den Punkt bringt. Nein, es geht hier nicht um Donald Trumps erratische Vorstellung von Mike Pence, dem Gouverneur von Indiana, als seinen Vizekandidaten. Vielmehr verabschiedete sich der Kongress in seinen Sommerurlaub, ohne ein Gesetz zur Finanzierung der Erforschung und Bekämpfung des Zikavirus zu beschließen.

Die Stechmücken, die diesen heimtückischen Erreger übertragen, werden sich heuer vom Golf von Mexiko bis hinauf nach Neuengland ausbreiten. Vielleicht haben die USA Glück, und es bleibt ihnen eine Welle an Fehlgeburten erspart, wie sie seit einem Jahr viele lateinamerikanische Staaten heimsucht. Wahrscheinlich ist das nicht. Und die ohnehin beschränkten Budgetmittel für den Kampf gegen Zika laufen im August aus. Denn die Republikaner hängten an einen Entwurf einige zusammenhanglose Novellen: von einer Beschränkung des Rechts der Frauen auf Abtreibung über die Abschaffung von Wasserschutzgesetzen bis zur Aufhebung des Verbots, die Flagge der konföderierten Sklavenhalterstaaten auf Soldatenfriedhöfen zu hissen. Dazu ließen sich die Demokraten nicht erpressen. Somit gibt es kein neues Geld gegen Zika.

Eine schwere Gesundheitskrise, die schnelles Handeln und umfassende Vorbeugung nötig macht: Verantwortungsvolle Politiker stellen in Momenten wie diesen ihre ideologischen Steckenpferde ins Eck und tun, was ihnen das Mandat der Bürger aufträgt. Nicht so die Republikaner, die seit 2014 die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses stellen. Ihnen ist einzig daran gelegen, im Kulturkampf um Abtreibung, Waffenbesitz und Sexualnormen zu punkten, um ihre jeweiligen fundamentalistischen Basisminderheiten zufriedenzustellen.

So kann man keinen Staat machen. Dementsprechend sehen die USA vielerorts aus: vergammelte Flughäfen, Straßen voller Schlaglöcher, erschütternde Bildungsmängel nicht nur bei Kindern einer teilweise seit Generationen verarmten Unterschicht, nicht enden wollende Waffengewalt. Diese übrigens darf von den National Institutes of Health und den Centers for Disease Control and Prevention, den vorrangigen Gesundheits- und Forschungseinrichtungen der USA, nicht erforscht werden: Das haben die Republikaner per Gesetz verboten.

Seit den Sechzigerjahren – beginnend mit dem rechten Radikalismus von Barry Goldwater – lässt sich die Partei von verantwortungslosen Minderheiten vor sich hertreiben. Mal für Mal machen ihre Kandidaten diesen ideologischen Erpressern Versprechen, die sie niemals einhalten können. Diese Extremisten – von überschaubarer Anzahl, doch bestens organisiert – bringen mit ihren ultimativen Drohungen Mal für Mal vernünftige und fachlich beschlagene Kandidaten für das Weiße Haus um jede Siegeschance; man denke an Mitt Romney vor vier Jahren oder John Kasich heuer.

In letzter Konsequenz bleibt so einer Partei nur ein Kandidat wie Donald Trump übrig: ein Mann, der kein historisches Bewusstsein von Amerikas Werdung und der Rolle der Konservativen dabei hat, ein Scharlatan, der alles und jedes sagt, was er sich gerade auf Twitter zusammengelesen hat, ein eitler Egomane, der im Herbst seines Lebens ein bisschen Politik spielen möchte. So gut wie jede Position Trumps widerspricht dem Credo der Republikaner: vom handelspolitischen Protektionismus über die Verachtung für die Nato und das Wohlwollen gegenüber dem Regime Wladimir Putins bis zum Versprechen an seine mehrheitlich alten und weißen Fans, die defizitären staatlichen Pensions- und Gesundheitssysteme nicht anzugreifen.

Eine Abfuhr für Trumps affektgetriebenen Chauvinismus wäre eine Chance für bedachte Konservative, eine regierungsfähige Volkspartei zu schaffen. Selbst ihr Säulenheiliger Ronald Reagan wusste, dass man in Demokratien Brücken zum politischen Gegner schlagen muss. In Schweden, Großbritannien oder Deutschland ist so ein Wandel geglückt. Warum nicht auch im Land der Freien, der Heimat der Tapferen?

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2016)

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