Aus der Traum vom billigen Fliegen?

THEMENBILD ZU SKYEUROPE AIRLINE
THEMENBILD ZU SKYEUROPE AIRLINE(c) APA/GEORG HOCHMUTH (Georg Hochmuth)
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Die Pleite von SkyEurope spiegelt die Probleme einer Branche, die zu schnell gewachsen ist. Ein-Euro-Tickets brachten viele Passagiere, aber kaum Gewinne. Das Low-Cost-Modell ist aber nicht tot.

Für den Toilettenbesuch an Bord müssen Reisende noch nicht zahlen – obwohl der für schräge Ideen bekannte Chef von Europas größter Billigairline Ryanair, Michael O'Leary, mit dieser Einnahmequelle liebäugelt. Der österreichisch-slowakischen Billigfluglinie SkyEurope hätte dieses „Körberlgeld“ nicht mehr geholfen. Auch die Feriensaison, die traditionell die Kassen der Airlines füllt, brachte keine Rettung.

In der Nacht auf Dienstag war es vorbei: Die schwer angeschlagene Gesellschaft, die seit 22. Juni unter Gläubigerschutz fliegt, musste den Konkursantrag stellen. Der Flughafen Prag und gleich danach der Heimatflughafen Bratislava stoppten die Abfertigung, weil kein Geld zum Tanken da war. Vor zwei Wochen hat der Flughafen Wien die Abfertigung eingestellt, weil SkyEurope Schulden nicht bezahlt hat. Eine Überbrückungsfinanzierung scheiterte, Buchungen und Umsätze sanken rapid. Der Investor Alon Shklarek, der über die Focus Capital Investments zehn Prozent hält, stellte 16,5 Mio. Euro in Aussicht – allerdings unter der Bedingung, dass SkyEurope das Reorganisationsverfahren schafft.

Zurück bleiben tausende Passagiere, die an ihren Reisezielen festsitzen oder ihren Flug nicht antreten können (Antworten auf häufig gestellte Fragen siehe Seite 2) und rund 550 Mitarbeiter, die den Arbeitsplatz verlieren. Sie haben sogar auf ihre Juligehälter verzichtet. Nach dem finanziellen Absturz der Gesellschaft (die Holding notiert an der Wiener Börse, die operative Fluglinie agiert aus Bratislava) fragen sich nicht nur die direkt Betroffenen, ob der Traum vom billigen Fliegen vorbei ist.

Jeder Zweite fliegt billig

So sehr haben wir uns daran gewöhnt: um einen Euro schnell in den Süden oder zum Shoppen nach Paris oder London. Wenn ein Flugticket nicht mehr als ein Straßenbahnfahrschein kostet, jetten auch Menschen quer durch Europa, die sonst im Schrebergarten urlauben. Die Fluglinien nützten die gute Wirtschaftslage – fast täglich schossen in den vergangenen Jahren neue Airlines aus dem Boden. Um Passagiere brauchten sie sich nicht zu sorgen, mit Schnäppchenpreisen lockten sie immer neue Konsumentengruppen an. Der Konkurrenzkampf wuchs.

Lauter einer Studie der Münchener Unternehmensberatung Mercer Management Consulting gab es im Jahr 2000 zwölf Anbieter, im Sommer 2004 agierten schon 54 Low-Cost-Airlines in Europa. Der deutschen Sparmeistermentalität kam dieser Trend entgegen: Im August 2009 reiste jeder zweite Deutsche im Inland mit einer Billigairline.

Auch SkyEurope gehörte zu den Sternen am Billigflughimmel: das Konzept, mit dem Christian Mandl und Alain Skowronek 2001 antraten: eine „Low-Cost-Airline in einem Low-Cost-Land“ – das musste in Osteuropa, wo gerade der Eiserne Vorhang gefallen war, ein Erfolg sein. Die Kosten wurden nach dem Vorbild von Ryanair und Easyjet niedrig gehalten.

Billigairlines kommen im Gegensatz zu klassischen Fluglinien ohne teuren Vertrieb aus (gebucht wird über Internet oder Telefon). Sie starten oft von kleinen Nebenflughäfen, wo die Gebühren günstig sind. Und sie lassen sich Speisen und Getränke, den Wunschplatz, Gepäck und sogar das Einchecken am Schalter extra bezahlen.

Die Passagier- und Umsatzzahlen wuchsen stetig. Noch schneller wurde expandiert und wurden neue Flugzeuge gekauft, neue Strecken und Flugbasen eröffnet. Das kostete viel Geld, in der Kasse blieb nichts. SkyEurope kam nie in die Gewinnzone. Statt kürzerzutreten wurde noch mehr expandiert. Auch das Geld, das der Börsengang 2005 brachte, war rasch verbrannt, und die Verluste häuften sich. Der hohe Ölpreis – gegen den kaum eine Billigfluglinie abgesichert ist – und die Wirtschaftskrise beschleunigten den Sturzflug.

SkyEurope ist nicht die erste Sternschnuppe, die verglüht, und wird nicht die letzte sein. Die Luftfahrt profitiert wie kaum eine andere Branche von der Globalisierung, sie ist aber auch sehr verwundbar. Terror, Kriege und Seuchen sowie hohe Ölpreise lassen Gewinne schmelzen. Wenn dann eine Wirtschaftskrise nie gekannten Ausmaßes kommt, wird es für die gesamte Luftfahrt eng. Von AUA über Alitalia, Olympic bis zu SAS reicht die Liste jener mittelgroßen nationalen Fluglinien, die in großen Schwierigkeiten stecken. Auch bisher äußerst profitable Airlines wie Lufthansa, Air France/KLM, Singapore Airlines oder Emirates schreiben Verluste oder nur noch kleine Gewinne.

Kampf um Businesskunden

Nur jene Fluglinien mit einer soliden finanziellen Basis, die schnell und flexibel auf Trends reagieren, haben Zukunft, sind Experten überzeugt. Die „Billigen“ müssten vor allem auf den Preismix achten, um nicht nur die Kosten zu decken, sondern auch noch ein bisschen Butter aufs Brot zu verdienen. Niki Lauda beziffert diesen Durchschnittsertrag mit 70 bis 90 Euro. Wenn man auch „Rennstrecken“ wie Frankfurt–London anbietet, kann man den großen Rivalen Businesskunden wegschnappen. Denn die Krise ändert das Reiseverhalten nachhaltig, viele Firmen werden ihre Mitarbeiter nicht mehr so bald vor den Vorhang setzen. Das Modell SkyEurope – mehr Geld auszugeben als zu verdienen – hat aber nicht nur in der Luftfahrt keine Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2009)

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