One-Way-Ticket nach Bagdad für irakische Flüchtlinge

Zwangsabschiebung irakischer Asylbewerber spaltet Dänemark. Regierung bleibt trotz Protesten hart.

KOPENHAGEN. Katz-Maus-Spiel der dänischen Polizei mit Asylaktivisten: Während diese am Mittwoch frühmorgens versuchten, den Provinzflughafen in Roskilde zu blockieren, weil sie glaubten, dass von dort eine Gruppe irakischer Asylbewerber ausgewiesen werden sollte, führte die Ordnungsmacht die Zwangsausweisung ungestört hundert Kilometer weiter westlich in Odense durch. Damit machen die Behörden Ernst mit der Ankündigung, die Iraker abzuschieben, die teils bis zu zwölf Jahren in dänischen Flüchtlingslagern gelebt haben, deren Asylanträge jedoch immer wieder abgelehnt wurden.

One-Way-Ticket nach Bagdad

Das Schicksal der 167 Asylbewerber bewegt Dänemark seit Langem. Unter ihnen sind Familien, die erlebt haben, wie ihre Angehörigen in Irak ermordet wurden, und die dennoch kein Bleiberecht bekommen, weil sie nicht als „persönlich verfolgt“ gelten, was eine Bedingung ist, um in Dänemark Asyl zu erhalten. Unter ihnen sind Kinder, die in Dänemark geboren und aufgewachsen sind und kaum Arabisch sprechen und nun in ein Land ausgewiesen werden, das ihnen völlig fremd ist. Unter ihnen sind Menschen, die aus Provinzen kommen, die die UN-Flüchtlingsbehörde als zu unsicher einstuft, um Flüchtlinge dorthin zurückzuzwingen, und die nun dennoch mit einem One-Way-Ticket nach Bagdad losgeschickt wurden.

Die Abweisung von 21 Männern und einer Frau war die bisher größte Rückschickaktion, seit die Regierung Bagdad unter Androhung wirtschaftlicher Sanktionen zwang, der Aufnahme der Ausgewiesenen zuzustimmen. Das Abkommen zwischen Kopenhagen und Bagdad hatte unter den Betroffenen Panik ausgelöst. Rund 70 Iraker verschanzten sich drei Monate lang in einer Kirche, dann räumte die Polizei diese gewaltsam.

Die Aktion spaltet die Bevölkerung. So etwas habe es in Westeuropa noch nicht gegeben, die dänische Politik habe dadurch „den letzten Rest an Anständigkeit“ verloren, so der sozialdemokratische Ex-Premier Poul Nyrup Rasmussen. Regierungsvertreter warfen den Asylanten und ihren Helfern vor, die Kirche zu missbrauchen.

Menschenrechtsgruppen verweisen auf die zunehmenden Sicherheitsprobleme in Irak. Eine Mehrheit teilt hingegen laut Umfragen die Haltung der rechten Regierung, dass abgelehnte Asylbewerber das Land verlassen müssen. Dass der August im Irak der blutigste Monat seit über einem Jahr war, ficht Kopenhagen nicht an. Bei der Zwangsausweisung konzentriert man sich vorerst auf die Männer. Frauen und Kinder würden dann schon „freiwillig“ folgen, lautet die Taktik der Polizei. Aktivisten versuchen, den von Abweisung Bedrohten einen Job zu verschaffen, um ihnen nach der „Green Card“-Ordnung eine Aufenthaltsgenehmigung zu sichern.

„Zuwanderung stoppen“

Dies sei eine „Umgehung der Regeln“, kontert Martin Henriksen, Sprecher der rechten Dänischen Volkspartei, die in der Ausländerpolitik den Ton angibt: Wichtiger als der Bedarf qualifizierter Arbeitskraft sei es, die „muslimische Zuwanderung“ zu stoppen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2009)

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