Verschwundene Schiele- und Klimt-Bilder: Linz soll zahlen

„Tote Stadt III“, Sammlung Leopold. Die „Tote Stadt“ in Linz verschwand.
„Tote Stadt III“, Sammlung Leopold. Die „Tote Stadt“ in Linz verschwand. (c) APA (Stiftung Leopold)
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Über acht Millionen müsse die Stadt den Erben zahlen, entschied der OGH: Über einen vertrackten Fall und sein nur scheinbares Ende.

Eine merkwürdige Geschichte hat dazu geführt, dass Linz für Bilder zahlen soll, von denen niemand eine Ahnung hat, wo sie sich befinden. Sie beginnt im Jahr 1951, als die Malerin und Kunstsammlerin Olga Jäger der Neuen Galerie der Stadt Linz, dem heutigen Lentos-Museum, vier Bilder lieh: Klimts Zeichnung „Zwei Liegende“ und drei Schiele-Werke: das Ölbild „Tote Stadt“, die Zeichnung „Paar“ und das Aquarell „Junger Mann“. Vor einigen Jahren wollten ihre Erben die Bilder zurückhaben – doch da waren diese unauffindbar. Anders als die sehr wohl vorhandene Übernahmebestätigung mit der Unterschrift von Walter Kasten, der ab 1947 stellvertretender Leiter und später Direktor der Neuen Galerie war.

Mehrere Jahre lang wurde nun prozessiert. Zunächst klagten die Erben 2011 nur wegen des „Paar“-Bildes, erhielten recht und 100.000 Euro; dann folgte eine Klage wegen der übrigen drei Bilder. Die Stadt Linz argumentierte trotz Übernahmebestätigung, die Neue Galerie habe die Bilder gar nie erhalten. Dann ging sie dazu über, die Echtheit der Bilder zu bestreiten. Der Linzer Kunstmarkt sei damals „mit Fälschungen versaut“ gewesen, meinte der Rechtsanwalt der Stadt 2014. Auch der Provenienzforscher des Leopold-Museums, Robert Holzbauer, hielt die verschwundene „Tote Stadt“ zu „99 Prozent für eine Fälschung“. Im selben Jahr schätzte der gerichtlich beauftragte Sachverständige Herbert Giese den Wert der drei Bilder auf rund sieben Millionen Euro, 2015 bereits auf über acht Millionen; eine Summe, die vor allem durch seine Schätzung der „Toten Stadt“ auf siebeneinhalb Millionen Euro bedingt war.

Vergangenen Herbst schließlich entschied das Gericht, Linz müsse zahlen; die Stadt berief gegen das Urteil. Nun hat der Oberste Gerichtshof das bestätigt: 8,21 Mio. Euro plus vier Prozent Zinsen sollen die Erben von Olga Jäger erhalten. Endlich ein Ende also? Nein. Laut der Stadt Linz hat die Vizedirektorin des Lentos soeben erst ein Schriftstück gefunden, wonach die Mutter der Erben bereits 1990 die Bilderleihe aufgekündigt hat – womit die Klage verjährt wäre. Das Landesgericht prüft . . .

Wie schätzt man nie Gesehenes?

Ein ohnehin vertrackter Fall: Wie beurteilt man den Wert nie gesehener Bilder? Kein Wunder, dass die Schätzungen weit auseinanderklafften. Herbert Giese, dessen Schätzung das Gericht 2015 folgte, errechnete einen Durchschnitt aus den Preisen vergleichbarer Schiele-Werke, die in den vergangenen fünf Jahren versteigert worden waren. Und wie untersucht man bei verschwundenen Bildern, ob sie echt oder gefälscht sind? Die Stadt Linz sei an ihrer Beweisnot selbst schuld, so der OGH: Wären die Bilder noch in ihrer Obhut – wozu sie als Entlehnerin verpflichtet gewesen wäre –, oder hätte sie Dokumentationen dazu, „hätte sie die Beweisführung für ihren Fälschungseinwand zumindest antreten können“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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