Chinas Kaufrausch ist nicht zu bremsen

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Europäische Firmen geraten zunehmend ins Blickfeld chinesischer Investoren. Deren Shoppingtour ist längst nicht beendet – und dürfte noch für so manchen Höhenflug an der Börse sorgen.

Wien. Die Welt ist scheinbar nicht genug. Zumindest, wenn man die Einkaufstour chinesischer Unternehmen betrachtet. Allein in Europa ist die Ausbeute besonders hoch, wie die Zahlen der jüngsten Studie von EY, einem US-Consulter, aufzeigen. Im ersten Halbjahr 2016 erreichten chinesische Investitionen in Europa mit einem Transaktionsvolumen von 72,4 Mrd. Dollar (65,3 Mrd. Euro) einen neuen Rekord. Besonders kräftig stiegen die Investitionen laut Eva-Maria Berchtold von EY Österreich in Deutschland an – von 526 Mio. Dollar im Vorjahr auf 10,8 Mrd. Dollar im ersten Halbjahr 2016.

Kein Wunder, dass damit auch die Sorge über einen möglichen Ausverkauf strategischer Bereiche und von wichtigem Know-How wächst. Die Angst keimte etwa beim Übernahmeangebot der ChemChina für den Schweizer Pflanzenschutz- und Saatgutriesen Syngenta mächtig auf. Schließlich handelt es sich um heikle Sparten. Nicht ohne Grund nimmt selbst das US-Landwirtschaftsministerium den Deal unter die Lupe, um Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit abzuklären. Syngenta erwirtschaftet fast ein Viertel des Umsatzes in Nordamerika.

Syngenta braucht Partner

Der Konzern kämpfte jedenfalls im ersten Halbjahr 2016 mit den Negativfolgen des starken Dollars und sinkender Rohstoffpreise. Der Überschuss knickte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13 Prozent auf knapp 1,1 Mrd. Dollar ein. Schon Mitte Dezember 2015 gab der Konzern bekannt, dass ein Alleingang kaum noch möglich sei.

Der Kaufrausch geht auch an den Börsen nicht spurlos vorbei. Für mutige Anleger kann sich eine Wette auf Chinas Übernahmeappetit durchaus lohnen. Allein die Syngenta-Aktie notiert noch nicht auf jenem Kurs, zu dem das Übernahmeangebot gestellt wurde, nämlich bei 480 Schweizer Franken je Aktie. Zuletzt kostete sie 391 Franken. Noch haben nicht alle Behörden grünes Licht gegeben – welche Auflagen noch erteilt werden könnten, bleibt offen.

Doch ChemChina ist nicht zu bremsen. Schon zu Jahresbeginn kaufte der Konzern den deutschen Maschinenbauer KraussMaffei. Jetzt wird ChemChina auch noch Interesse an der deutschen SGL Carbon nachgesagt, einem der weltweit größten Hersteller von Carbon, Graphit und Verbundmaterialien für Anwendungen in unterschiedlichen Industriezweigen. Die Carbon- und Graphitprodukte werden unter anderem in der Automobil- und Stahlindustrie, der Solartechnik sowie der Luft- und Raumfahrt benötigt. Weil aber vor allem der Preisdruck im Graphitelektrodengeschäft anhalten dürfte, rechnet SGL heuer erneut mit einem Konzernverlust, der aber geringer ausfallen dürfte als 2015 (ein Minus von fast 300 Millionen Euro).

Aixtron im Visier

Ähnlich schwierig ist die finanzielle Lage bei der deutschen Aixtron, ein großer Produzent von Beschichtungsanlagen für die Halbleiterindustrie, der Konzern schreibt seit 2012 Verluste. Im Mai dieses Jahres unterbreitete der chinesische Investmentfonds Fujian Grand Chip Investment (FGC) ein Übernahmeangebot von sechs Euro je Aktie, nun steht die Zustimmung der deutschen Finanzaufsicht Bafin noch aus. Gibt es grünes Licht, müssen 60 Prozent der Anleger dem Angebot zustimmen. Die Kepler-Cheuvreux-Analysten haben die Aktie jedenfalls zum Kauf empfohlen und das Kursziel auf sieben Euro gesetzt. Der Grund: Schließlich könnte FGC das Angebot erhöhen, um an die 60 Prozent zu gelangen. Derzeit notiert die Aktie bei rund 5,4 Euro.

Auch die deutsche Manz steht auf Chinas Shopping-Liste. Das Unternehmen entwickelt und stellt Maschinen vor allem für die Umwelttechnologie und mobile Kommunikation her, wobei die Automation im Fokus steht. Zu den Kunden zählen etwa Weltkonzerne wie Apple und Adidas. Noch im ersten Quartal war der Bereich Energiespeicherung der Umsatztreiber. Dann gab Mitte Juni ein Großkunde den Projektstopp bekannt, die Aktie sackte um rund 25 Prozent ab. Damit sanken auch die Hoffnungen, dass der Jahresverlust eingedämmt werden könnte. 2015 lag er bei 64 Mio. Euro.

Scheitern ist möglich

Das stoppt das Interesse von Shanghai Electric Group aber nicht. Das Unternehmen ist der größte Hersteller von Kraftwerken in China und ist vor allem auf Energieeffizienz, saubere Energiegewinnung und Industrieanlagenbau spezialisiert. Derzeit halten die Chinesen 20 Prozent, ein Interesse von insgesamt 30 Prozent wird ihnen nachgesagt. Immerhin, auch die chinesische Midea wollte ursprünglich nur 30 Prozent an Kuka, dem deutschen Hersteller von Industrierobotern, kaufen. Seit Ende Juli sind es nun gut 86 Prozent, die Aktie schnellte binnen Wochen um rund 25 Prozent nach oben.

Anleger, die Appetit auf Chinas Einkaufslust bekommen haben, sollten dennoch beachten, dass Übernahmepläne auch schiefgehen können. Ein bitterer Kursrückgang wäre die Folge, zumal es oftmals finanziell angeschlagene Unternehmen sind, die im fernöstlichen Visier stehen. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2016)

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