Die FPÖ hatte nach dem Ortstafel-Erkenntnis 2001 eine Einführung gefordert. Auch ÖVP und Team Stronach wollen nicht, dass bei Urteilen Stimmverhältnisse und Gegenargumente publik werden.
Die Opposition zeigt sich am Montag gespalten in ihrer Haltung zur Einführung der "Dissenting Opinion" am Verfassungsgerichtshof (VfGH). Die FPÖ ist jetzt wieder - wie vor dem Ortstafel-Erkenntnis 2001 - gegen die Veröffentlichung abweichender Stellungnahmen, ebenso das Team Stronach und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Grüne und Neos unterstützen hingegen die SPÖ-Forderung.
"Ich halte nichts davon", lehnte FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan die Möglichkeit ab, dass überstimmte VfGH-Mitglieder von einem Erkenntnis abweichende Stellungnahmen veröffentlichen können. Es sei besser, wenn der VfGH als Kollegialorgan entscheide und die Entscheidung verkünde. Denn die Anonymität sei ein Schutz für die einzelnen Richter, auf die sonst Druck - etwa auch über die Sozialen Medien - ausgeübt werden könnte. Das sei jetzt die Linie der FPÖ, betonte Stefan, angesprochen darauf, dass die Freiheitlichen nach dem Ortstafel-Erkenntnis für die Einführung der Dissenting Opinion waren. Auch Dieter Böhmdorfer - der jetzt die erfolgreiche Wahlanfechtung verfasst hat - hat sich damals als Justizminister dafür stark gemacht.
"Fingierte Einheitlichkeit" missfällt Grünen und Neos
Der Grüne Verfassungssprecher Albert Steinhauser hält den am Sonntag von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim vorgebrachten Vorschlag hingegen für sinnvoll. Mit "Sondervoten" würde die Transparenz der VfGH-Entscheidungen erhöht. Und sie wären ein wichtiger Beitrag für die spätere Rechtsentwicklung. Zudem bestehe in der heutigen Medienwelt bei wichtigen Entscheidungen immer die Gefahr, dass danach informelle Informationen oder Gerüchte die Runde machen. "Da ist es mir lieber, wenn über eine fundierte wissenschaftliche Darstellung berichtet wird." Auch Steinhauser missfällt die "fingierte Einheitlichkeit", die durch die jetzige Vorgangsweise vermittelt werde. Vor Pluralismus müsse man sich nicht fürchten - und die Verfassungsrichter seien unabhängig genug, um sich nicht durch populistische Argumente treiben oder unter Druck setzen zu lassen.
Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak "wüsste nicht, was dagegen sprechen könnte", wenn abweichende Meinungen einzelner Verfassungsrichter dargestellt werden können. Das wäre auch nichts Neues, bei manchen Gerichtshöfen - etwa beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - bestehe die Möglichkeit der Dissenting Opinion. Sie werde allerdings nicht sehr häufig genützt, davon könnte man, meint Scherak, wohl auch beim VfGH ausgehen.
Das Team Stronach ist - laut Ö1-"Mittagsjournal" - gegen die Dissenting Opinion, weil Richter gegeneinander ausgespielt und instrumentalisiert werden könnten.
(APA)