China: Fünf Tote bei neuen Protesten in Uiguren-Provinz

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Spannungen zwischen der muslimischen Minderheit der Uiguren und Han-Chinesen sind in den vergangenen Tagen wieder aufgeflammt. Hintergrund war eine Serie von Spritzen-Attacken auf Passanten.

Bei neuen blutigen Ausschreitungen in der Hauptstadt der nordwestchinesischen Region Xinjiang sind fünf Menschen ums Leben gekommen. 14 weitere wurden verletzt, wie der Vizebürgermeister von Urumqi (Ürümqi), Zhang Hong, nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag berichtete. Unter den Toten seien zwei unbeteiligte Schaulustige gewesen. Die Spannungen zwischen Angehörigen der muslimischen Minderheit der Uiguren und den Chinesen waren wieder aufgeflammt, nachdem mehr als 500 Menschen, vornehmlich Chinesen, Opfer von unaufgeklärten Angriffen mit Injektionsnadeln geworden sind.

Die Attacken haben seit drei Tagen Zehntausende empörte Menschen protestieren lassen. Die Polizei ging am Freitag mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Ein Versammlungsverbot wurde verhängt. Der chinesische Polizeiminister Meng Jianzhu machte uigurische Separatisten für die Attacken verantwortlich. Bei einem Besuch in der Provinzhauptstadt Urumqi sagte der Minister, es sei "eine Fortsetzung der Zwischenfälle vom 5. Juli". Er verwies damit auf die blutigen Übergriffe von Uiguren gegen Chinesen und folgende Racheakte, bei denen 197 Menschen getötet und 1.600 verletzt worden waren.

"Unruhe ist eine Katastrophe"

Der Polizeiminister rief zu Ruhe und Ordnung auf: "Stabilität ist ein Segen, Unruhe eine Katastrophe." Alle müssten sich an Recht und Gesetz halten. Er drohte Separatisten, Gewalttätern oder Randalierern, "egal welcher ethnischer Zugehörigkeit sie sind", mit hohen Strafen.

Bei den dreitägigen Protesten hatten die Demonstranten mangelnden Schutz der Bevölkerung und die "machtlose" Regierung kritisiert. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen mit der Polizei, die mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften die Stadt abgeriegelt hatten. Über Lautsprecher und auf Flugblättern wurde das Demonstrationsverbot verbreitet. Die Schulen wurden vorerst geschlossen.

Auch am Freitag warf in Urumqi nach zwei neue Spritzen-Attacken eine wütende Menge mit Flaschen auf Polizisten, Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Knapp tausend Demonstranten forderten in der Nähe des Sitzes der Provinzregierung die Freilassung eines Han-Chinesen, den die Polizei während der Proteste abführte. Einige Demonstranten verlangten im Zusammenhang mit den Angriffen den Rücktritt des Chefs der Kommunistischen Partei in Xinjiang, Wang Lequan. Hunderten Sicherheitskräften gelang es, die Menge zu zerstreuen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua trieb die Polizei etwa tausend Teilnehmer einer zweiten Kundgebung mit Tränengas auseinander.

Eine am Freitag mit einer Spritze attackierte Han-Chinesin beschrieb den Angreifer als Uiguren. Es sei ihr ein Rätsel, warum der Mann den Sicherheitskräften habe entwischen können, sagte die 21-jährige Liu Yan. Auch ein 52-jähriger Uigure wurde nach eigenen Angaben am Donnerstag von einem "jugendlichen Uiguren" mit einer Spritze in den Rücken gestochen. Andere Opfer äußerten die Vermutung, dass die Spritzen zweckentfremdet wurden, weil die Behörden nach den gewaltsamen Unruhen vom Juli den Waffenbesitz erschwerten. Laut Xinhua ist unklar, ob die Spritzen etwas enthielten. Bisher sei jedoch niemand vergiftet oder infiziert worden. Doch geht die Sorge vor HIV-Infektionen um. Die Stimmung wurde von Gerüchten angeheizt, dass Uiguren Insektenvernichtungsmittel, Drogen oder Säure in die Injektionsnadeln getan hätten, wie "Radio Free Asia" berichtete. Im Zusammenhang mit den Angriffen wurden 21 Verdächtige festgenommen.

Es gab bereits erste Hamsterkäufe in Urumqi, wie die Staatsagentur berichtete. "Ich habe heute Nahrungsmittel gekauft. Wer weiß, was als nächstes passiert", wurde ein Bewohner zitiert. Straßensperren riegelten die Innenstadt für den Verkehr ab. "Es gibt auch Personenkontrollen", berichtete eine Hotelangestellte.

Die neuen Zwischenfälle kommen zu einem heiklen Zeitpunkt, da sich die kommunistische Führung und das Land auf die großen Feiern zum 60. Geburtstag der Volksrepublik in vier Wochen vorbereiten. Mit einer großen Propagandashow soll dann auch die Einigkeit der Volksgruppen in China demonstriert werden. Die turkstämmigen, muslimischen Uiguren in Xinjiang fühlen sich von den Chinesen benachteiligt und politisch unterdrückt.

Xinjiang

Xinjiang (chinesisch: "Neue Grenze") wurde im 18. Jahrhundert von den Mandschu-Kaisern erobert und erst 1884 dem chinesischen Reich staatsrechtlich einverleibt. Die Region ist für Peking von großer strategischer Bedeutung und reich an Bodenschätzen. 1955 wurde von den Kommunisten die "Autonome Region Xinjiang" errichtet. In Lop Nor entstand Chinas Atomtestgelände. Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten erstarken panislamische und irredentistische Strömungen, wie die kommunistischen Behörden offen zugeben.

(Ag.)

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