ÖVP will Zumutbarkeitsgrenzen für Arbeitslose verschärfen

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THEMENBILD: ARBEITSMARKTSERVICE AMS / ARBEITSLOSENZAHLEN /ARBEITSLOSEAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die ÖVP legt detaillierte Vorschläge vor, wie die Zumutbarkeitsgrenzen für Arbeitslose verschärft werden sollen. Doch das Ganze endet im Koalitionsstreit: Die SPÖ ist gegen Änderungen.

Wien. Im Vorjahr sprach sich Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) für strengere Zumutbarkeitsgrenzen für Arbeitslose aus. Doch passiert ist nichts. Inzwischen hat sich die Diskrepanz am Arbeitsmarkt weiter vergrößert. Zuletzt stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 Prozent auf 379.679 Personen.

Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der beim Arbeitsmarktservice gemeldeten offenen Stellen um 40,8 Prozent auf 43.800. Viele Firmen klagen, dass sie kein Personal finden. Die Wirtschaftskammern starteten vor Kurzem eine Aktion scharf gegen arbeitsunwillige Arbeitslose. Anders als vor einem Jahr legt die ÖVP nun detaillierte Vorschläge für eine Gesetzesänderung vor. Mit strengeren Zumutbarkeitsgrenzen sollen Arbeitslose und Flüchtlinge schneller einen Job bekommen, sagte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka am Mittwoch zur „Presse“.

Das sind die wichtigsten Eckpunkte:


► Änderungen bei der Wegzeit: Derzeit gilt eine Vollzeit-Stelle nicht als zumutbar, wenn die tägliche Wegzeit hin und zurück mehr als zwei Stunden ausmacht. Die ÖVP ist hier für zweieinhalb Stunden. Damit sollen Jobs am Land leichter vermittelt werden können.

► Betreuungspflichten: Bei Arbeitslosen, bei denen es eine gesetzliche Betreuungspflicht gibt (ein Kind, das jünger als zehn Jahre oder behindert ist), reicht es, wenn man dem Arbeitsmarkt grundsätzlich 16 Stunden in der Woche zur Verfügung stehen kann. Doch es gibt kaum Jobs mit 16 Wochenstunden. Firmen bieten meist Vollzeit- oder Halbstagstellen an. Daher soll die Regel auf 20 Stunden verschärft werden.

► Strengere Sanktionen bei Arbeitsverweigerung: Die ÖVP fordert, dass der Entzug des Arbeitslosengeldes von sechs auf acht Wochen ausgedehnt wird. Bei wiederholter Jobverweigerung soll das Arbeitslosengeld endgültig gestrichen werden, was derzeit schon möglich ist, aber nur selten vorkommt.

► Reform des Entgeltschutzes: Als zumutbar gilt für Arbeitslose ein Job, wenn sich das Entgelt an den vorhergehenden Verdiensten orientiert. Dieser Entgeltschutz gilt für die ersten 120 Tage der Arbeitslosigkeit. Die ÖVP verlangt hier eine Reduktion auf 100 Tage.

Kombilohn statt Entgeltschutz

Außerdem soll als Basis für den Entgeltschutz nicht mehr die frühere Entlohnung, sondern der Kollektivvertrag herangezogen werden. Denn mittlerweile sei der Schutz bei älteren Menschen, die vor der Arbeitslosigkeit einen gut bezahlten Job mit einer überkollektivvertraglichen Entlohnung hatten, zur „Anreizfalle“ geworden, so Lopatka. Daher soll die jetzige Regelung entsprechend abgeändert und durch eine großzügigere Gewährung des sogenannten „Kombilohns“ (Lohn mit einem AMS-Zuschuss) ersetzt werden.

► Gleichschaltung der Sanktionen bei der Mindestsicherung mit den Sanktionen im Arbeitslosenversicherungsgesetz. Derzeit verhindern unterschiedliche Regelungen im Arbeitslosenversicherungsrecht und bei der Mindestsicherung wirksame Sanktionen. So gibt es Fälle, bei denen der Verlust der Notstandshilfe durch die Mindestsicherung ausgeglichen wird. Daher braucht es nach Ansicht der ÖVP ein aufeinander abgestimmtes Sanktionssystem, sonst konterkarieren die Sanktionen der Mindestsicherung jene im Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechts.

Doch das Ganze endet wieder im Koalitionsstreit. Hatte die ÖVP zuletzt die SPÖ-Forderung nach einer Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge blockiert, so lehnt diesmal die SPÖ die ÖVP-Vorschläge bei den Zumutbarkeitsregeln ab. „Es handelt sich um eine jährlich wiederkehrende Sommerloch-Debatte“, heißt es im Büro von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) zu Lopatka. Hier werde „versucht, den Arbeitslosen die Schuld am Mangel an Arbeitsplätzen in die Schuhe zu schieben. Vielmehr sollte unser Augenmerk darauf liegen, die Konjunktur zu beleben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2016)

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