Kampf um den Untergrund

Die Kaufleute der Karlsplatzpassage wehren sich vor Gericht gegen eine Absiedlung.

WIEN. Die Karlsplatzpassage hat einen schlechten Ruf, so gut wie kein Tageslicht und wirkt nicht wirklich wie ein Einkaufsparadies. Und dennoch kämpfen sämtliche ansässigen Geschäftsleute darum, hier im Untergrund bleiben zu dürfen. Geht es nach den Wiener Linien, denen der unterirdische Durchgang gehört, müssen die Geschäfte bis 30. September geräumt werden, um Platz für den Umbau zu einer Kulturpassage zu gewinnen.

Dagegen zogen die Kaufleute nun auch vor Gericht. Für den 9.Oktober ist die Verhandlung anberaumt, in der die Wiener Linien mit Mietrechtsklagen konfrontiert werden. Das Motiv der Kaufleute ist klar – sie wollen den zwar äußerlich nicht wahnsinnig attraktiven, jedoch hochfrequentierten Standort nicht aufgeben. Immerhin passieren rund 200.000 Menschen täglich ihre Geschäfte – so einen Standort findet man nicht so schnell wieder. Der angepeilte Baubeginn der Kulturpassage Anfang 2010 – und damit auch die geplante Eröffnung Mitte 2011 – wackelt damit jedenfalls beträchtlich. Geplant ist eine Verbreiterung der Passage auf acht Meter – und auf Kosten der Geschäfte, die dafür weichen müssten. Immerhin, Fastfood, Coffee to go und ein Bäcker dürfen bleiben – sie haben ihre Plätze auf der anderen Seite. Farbige Bodenmarkierungen sollen künftig als Leitsystem dienen, mit Glasdächern soll endlich auch Tageslicht nach unten gebracht werden. „Hell, klar und angstfrei“ soll es werden, heißt es aus dem Rathaus.

Eine interessante Lichtgestaltung war schon einer der Grundpfeiler, mit denen die Fußgänger in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in die Passagen gelockt werden sollten. Albertina-, Babenberger-, Bellariapassage, Schottentor (Jonasreindl) und eben die im Jahr 1978 bis zum Karlsplatz verlängerte Opernpassage galten sogar als so etwas wie Aushängeschilder städtischer Architektur. Die Geschäftslokale unter der Erde florierten. Damals.

Als der Abstieg begann

Doch in den Neunzigern begann der Abstieg. In der Verkehrsplanung verloren die Passagen an Wert, für Fußgänger wurden oberirdische Möglichkeiten der Ringquerung geschaffen – und von der Fahrbahnunterquerung als Einkaufsparadies ist heute dementsprechend nicht mehr viel übrig. Die Babenbergerpassage wird schon seit dem Jahr 2003 als Club genutzt. Die Albertinapassage (siehe oben stehenden Bericht) fungierte lange Zeit als Schwulenstrich.

Die Karlsplatzpassage scheint nun ebenfalls bald ohne Shops auszukommen. Die Zeiten, in denen man zum Schuhkauf oder zum Briefmarkenhändler unter die Erde ging, dürften jedenfalls bald vorbei sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2009)

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