Die starken Frauen und der See

Pop-Ikone Emilie Flöge. Detail aus dem Video „Flöge Flöge“ der Linzer Künstlerin Bernadette Huber (* 1962), zu sehen im Klimt-Zentrum am Attersee.
Pop-Ikone Emilie Flöge. Detail aus dem Video „Flöge Flöge“ der Linzer Künstlerin Bernadette Huber (* 1962), zu sehen im Klimt-Zentrum am Attersee.(c) Huber
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Ausstellungen an Wolfgang- und Attersee drehen sich um faszinierende Künstlerinnen der Wiener Moderne. Werke und Biografien, die dringend weiterer Aufarbeitung bedürften.

Man traut schlicht seinen Augen nicht: Diese bäuerliche, ältliche Tante mit schwarzem Hut und besticktem Blumentaschentuch in den gefalteten Händen, diese Fanny Harlfinger soll tatsächlich die fortschrittlichste, die kämpferischste feministische Künstlerin im Wien der 1920er-Jahre gewesen sein? Das haben wir uns doch ein wenig anders vorgestellt, stilistisch zumindest.

1873 in Mank (NÖ) geboren, ging diese Fanny erst einmal auf die Kunstgewerbeschule, die einzige künstlerische Schule, an der Frauen damals akzeptiert wurden. Innendekoration und Holzschnitte stellte sie später aus, recht erwartbar noch. Auch die Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte. Vielleicht noch der Eintritt in die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Aber dann, 1926, schon 50, rebellierte sie. Und gründete die Vereinigung Wiener Frauenkunst, eine Art späte weibliche Secession, eine Abspaltung aus den „starren, überlieferten Formen einer Vereinigung“, wie Präsidentin Harlfinger 1926 erklärte. Ziel der neuen Verbindung war: „Wir wollen modern sein, in erster Linie in diesem Sinne, dass wir darunter enge Verbundenheit mit dem Leben verstehen. Die Kunst unserer Tage steht dem Leben und seinen sichtbaren Äußerungen noch immer recht fremd gegenüber; sie durchdringt es nicht, wie es die Kunst früherer Zeiten tat.“

Immenses unaufgearbeitetes Material. Vor genau 90 Jahren war das. Dieses Jubiläums der damals wegweisenden „Wiener Frauenkunst“ hat sich die Wiener Kuratorin Marie-Theres Arnbom angenommen und an einem auf den ersten Blick doch recht abseitigen Platz eine kleine, aber auf immenses unaufgearbeitetes Material und vergessene Frauenbiografien hinweisende Ausstellung gestaltet: in der ehemaligen Volksschule von St. Gilgen am Wolfgangsee, in der das Museum der Malerkolonie Zinkenbach untergebracht ist. In dieser Sommerfrischemalerkolonie waren auffällig viele Mitglieder dieser „Wiener Frauenkunst“ zu Gast, etwa die Malerinnen Lisel Salzer, Lisl Weil, Bettina Bauer-Ehrlich oder die Keramikerin Gudrun Baudisch. Also doch nicht gar so abseitig, nur geografisch vielleicht – aber man könnte das Thema in Wien ja zumindest zum 100-Jahr-Jubiläum wieder aufgreifen.

Denn auch mittlerweile prominente Namen wie die Malerinnen Helene Funke oder Broncia Koller waren Mitglied der „Wiener Frauenkunst“, die allerdings bewusst nicht auf Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen beschränkt war. Am besten zeigte das 1931 die parallel zum Kongress der Internationalen Vereinigung der berufstätigen Frauen organisierte Ausstellung „Die schaffende Österreicherin“ in der Secession. Im Hauptraum gab es keine Gemälde, sondern Bücher und Fotos (von Fotografinnen) berufstätiger Frauen, Anwältinnen, Politikerinnen, Unternehmerinnen, aber auch die Künstlerinnen und Architektinnen der Vereinigung selbst bekamen so ein Gesicht. Ein Konzept, das auch Arnbom für ihre Ausstellung aufgriff.

Eine der spannendsten derart wieder fassbar gemachten Persönlichkeiten ist die „Chefarchitektin“ der „Wiener Frauenkunst“, Liane Zimbler, 1892 in Mähren geboren, deren Typ man viel eher als Präsidentin einer solchen Vereinigung sehen würde, aus heutiger Sicht zumindest. Diese Liane Zimbler war die erste „richtige“ österreichische Architektin sozusagen, 1938, wenige Wochen vor ihrer Flucht, legte sie als erste Frau die Ziviltechnikerprüfung an der TU ab. So konnte sie in den USA, wohin sie mit ihrer Familie emigrierte, leichter Fuß fassen und endlich nicht nur Innenräume gestalten (etwa den Umbau der Loos-Wohnung für Leopold Goldmann für das Ehepaar Sabl), sondern ganze Häuser. Etwa 1941 die Villa des Komponisten Ernst Toch in Santa Monica. 1987 starb Zimbler in Los Angeles, „ohne jemals wieder österreichischen Boden betreten zu haben“, beendet Sabine Plakolm-Forsthuber ihren Essay über die Architektin im Ausstellungskatalog; sie arbeitet gerade den Nachlass Zimblers in Kalifornien auf.

Ewig geheimnisvolle Flöge. Der erste Berufsschritt führte Zimbler 1911 übrigens in ein Wiener Atelier, in dem der „schaffenden Österreicherin“ bereits ein frühes Denkmal gesetzt wurde, in den Modesalon der Schwestern Flöge. Gerade Emilie Flöge, dieser geheimnisvollen Lebenspartnerin Gustav Klimts, ist diesen Sommer ganz in der Nähe der Wolfgangseer „Frauenkunst“-Ausstellung ein Schwerpunkt gewidmet, im Klimt-Zentrum in Schörfling am Attersee. Ein vor allem an Originalen (den Preisen geschuldet) leider sehr überschaubarer, erst fünf Jahre alter Ort des Gedenkens an die vielen Sommerfrischen, die Klimt und die Familie Flöge von 1900 bis 1916 hier verbracht haben.

Neben einem Ausschnitt der ausufernden Klimt-Korrespondenz an Flöge, historischen Fotografien und einem nachgeschneiderten Reformkleid aus dem Flöge-Salon (wo bleibt endlich die große Ausstellung dazu?) hat die betreibende Klimt-Stiftung heuer erstmals zeitgenössische Künstlerinnen um Arbeiten gebeten: So sieht man Irene Andessner auf einer ihrer großen Fotoinszenierungen in der etwas madamigen Pose der doch immer so mädchenhaften Emilie Flöge. Und Bernadette Huber dreht einen verspielten Film, in dem Flöge und Klimt als animierte Fotocollage ihren Spaß miteinander haben. Wie sich dieser Spaß genau zugetragen hat, werden wir, wie es nach Lektüre des neuesten Artikels dazu im Katalog aussieht, wohl weiter nicht erfahren.

Infos

„Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst.“ Gustav-Klimt-Zentrum, Schörfling am Attersee, bis 26. 10.

„Die schaffende Österreicherin. 90 Jahre Wiener Frauenkunst.“ Museum Zinkenbacher Malerkolonie, bis 9. 10.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2016)

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