Tierschützer: Anklage als Mafia-Organisation "ruinös"

Tierschützer Martin Balluch
Tierschützer Martin Balluch(c) APA (Georg Hochmuth)
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Nicht nur für die zehn Angeklagten im Tierschutz-Prozess, sondern für die Arbeit jeder NGO sei eine Verurteilung nach dem Mafia-Paragrafen 278a eine Katastrophe. "Dann hört sich jede Arbeit auf", sagen sie.

Heftige Kritik hat der Verein gegen Tierfabrik (VGT) am Mittwoch einmal mehr an der Anklage gegen zehn Tierschützer wegen Bildung einer kriminellen Organisation (Paragraf 278a StGB) geübt. VGT-Rechtsexperte Eberhart Theuer bei einer Pressekonferenz: "Das ist der einzige Paragraf, bei dem ich keine konkrete Straftat nachweisen muss." Im übrigen sei die Bestimmung gegen mafiöse Organisationen konzipiert gewesen. Die Grünen hätten schon bei der Einführung des Paragrafen kritisiert, dass er auch gegen andere Organisationen anzuwenden wäre.

Theuer und VGT-Obmann Martin Balluch, einer der zehn Angeklagten bei dem Prozess, der vermutlich im kommenden Jänner starten wird, wiesen darauf hin, dass zumindest die beiden VGT-Vertreter ausschließlich wegen Paragraf 278a angeklagt seien. Dabei seien die definierten Merkmale einer kriminellen Organisation nicht gegeben, etwa eine arbeitsteilige Vorgangsweise mit hierarchischen Strukturen mit Planern und Ausführern. "Die zehn Beschuldigten kennen einander großteils nicht, und wenn doch, dann sind sie einander in vielen Fällen nicht freundlich gesinnt, weil sie verschiedenen Tierschutzorganisationen mit unterschiedlichen Ansatzpunkten angehören, so Theuer.

Der VGT sieht bei einer Verurteilung NGO-Arbeit insgesamt als gefährdet an: "Was die Angeklagten gemacht haben, war normale NGO-Arbeit", betonte Theuer. Man habe Unternehmen informiert, dass man eine Kampagne starten und die Öffentlichkeit informieren werde, wenn sie ihr Verhalten nicht ändern. "Wenn das strafbar ist, hört sich jede Arbeit von Greenpeace etc. auf."

VGT: Normale Kampagnentätigkeit

Neben den beiden VGT-Mitarbeitern sind laut Balluch der Kampagnenleiter des Vereins "Vier Pfoten", ein Aktivist, der etwa zu je 50 Prozent bei "Vier Pfoten" und beim VGT tätig war, der Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich sowie fünf Aktivisten, die im Strafantrag der Basisgruppe Tierrechte zuzurechnen sind, angeklagt. Dem VGT-Obmann zufolge steht in der Anklageschrift, dass es bereits seit den späten 80er Jahren eine große kriminelle, international agierende Organisation im Tierschutz gäbe, mit Namen wie "ALF", "TBF", "ARM", "wütende Wildschweine" und Ähnliches. Balluch: "Niemand der Angeklagten war in dieser Zeit aktiv."

Beim Modus Operandi werde im Strafantrag eine Tätigkeit beschrieben, die mit Ausnahme des Verschickens von Drohmails und der Verursachung von Sachbeschädigungen normale Kampagnenarbeit darstelle. Und die Drohmails seien den Angeklagten nicht nachzuweisen. Sie hätten unbekannte Absender und seien großteils über ausländische Server verschickt worden. Detail am Rande: Laut VGT werden im Strafantrag auch das Umschneiden von Hochständen angeführt. Bei solchen Aktionen seien Jugendliche in Oberösterreich erwischt worden, die mit den Beschuldigten nichts zu tun hätten. Der Staatsanwalt sei selbst Jäger, so Balluch.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Kritik gab es nicht zuletzt an der Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft in Wiener Neustadt: Diese habe den Beschuldigten noch immer nicht volle Akteneinsicht gewährt, Beweisanträge ebenso wie andere Anträge auf Einstellung der Ermittlungsverfahren oder auf Einsicht in die Ermittlungsergebnisse ignoriert, entgegen der Strafprozessordnung neu nur Belastendes in die Strafanträge geschrieben und die bei den Hausdurchsuchungen eingezogenen Gegenstände teils noch immer nicht retourniert.

Auch die Einsprüche gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft seien bisher ignoriert worden, die Oberstaatsanwaltschaft habe nur teilweise zugegeben, dass die Polizei bei den Festnahmen übertrieben brutal vorgegangen sei.

Prozess "ruinös"

Für die Beschuldigten sei der Prozess, der drei bis sechs Monate dauern werde, ruinös. Man sei "bedroht mit fünf Jahren Gefängnis für nichts und absolut wieder nichts". Die Anwaltskosten seien pro Angeklagtem bei mehr als 60.000 Euro anzusetzen - auch bei einem Freispruch größtenteils selbst zu begleichen, so Balluch. Auch die Ermittlungen würden weitergehen, zudem seien weitere 30 Personen, abhängig vom Ausgang des ersten Prozesses, mit Anklagen bedroht. "Man fischt einmal, ob man was erwischt, und klagt dann gegebenenfalls weiter an", sagte Theuer.

(APA)

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