Türkei: Heimische Investoren bleiben

A Turkish vendor sells dates and dried fruits at the Egyptian Bazaar during preparations for the upcoming holy month of Ramadan, in Istanbul
A Turkish vendor sells dates and dried fruits at the Egyptian Bazaar during preparations for the upcoming holy month of Ramadan, in IstanbulREUTERS
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Die politische Lage nach dem Putschversuch verunsichert Investoren. Die Türkei sei aber kein Krisenland und für Investoren nach wie vor interessant, betonen Experten.

Wien. Tausende Festnahmen, Großrazzien in Unternehmen, Währungsverfall, schlechte Noten von Rating-Agenturen und eine unsichere Gesetzeslage: Die Situation in der Türkei ist nach dem gescheiterten Putschversuch alles andere denn klar. Wie gehen österreichische Unternehmen damit um? Immerhin sind sie mit einem Volumen von 4,4 Mrd. Euro (Stand Ende 2015) nach den USA und den Niederlanden die drittgrößten Auslandsinvestoren im Land zwischen Bosporus und Kaukasus – 150 heimische Betriebe sind in der Türkei mit eigenen Niederlassungen und Produktionen aktiv, gut 1000 Firmen betreiben Handel.

„Sie hätten natürlich gern mehr Ruhe, kehren aber dem Land nicht panisch den Rücken“, sagte Österreichs Wirtschaftsdelegierter Georg Karabaczek am Donnerstag bei einem von der Anwaltskanzlei Wolf Theiss veranstalteten Expertenmeeting zur Türkei. Die Sicherheitslage sei vielleicht sogar besser als vor dem Putsch, die Gefahr von Terroranschlägen bestehe allerdings nach wie vor. „Aber das haben Sie auch in anderen Ländern.“

Karabaczek, der für eine Deeskalation des auf politischer Ebene geführten verbalen Schlagabtauschs zwischen Wien und Ankara plädiert, hat berichtet, dass die Stimmung gegen Österreich seit einigen Tagen gekippt sei. Dazu hätten auch Medienberichte in beiden Ländern beigetragen. Konkret sprach Karabaczek einen Bericht der „Kronen Zeitung“ an, der in der Türkei auf starkes – negatives – Echo gestoßen sei. Deshalb könnte es nun passieren, dass ein österreichisches Unternehmen, das um einen öffentlichen Auftrag kämpft, diesen nicht bekomme. Die Tourismushochburg Alanya hat wiederum ihre Städtepartnerschaft mit Schwechat aufgekündigt. Sind das Einzelfälle? Das könne er noch nicht abschätzen. „Es ist halt viel Emotionalität im Spiel.“

Jedenfalls dürfe man die Situation nicht nur schwarz-weiß sehen, war Karabsaczek mit dem Chefvolkswirt der Bank Austria, Stefan Bruckbauer, und der Juristin Ceyda Akbal Schwimann (Wolf Theiss) einig. Gerade Firmen, die die Türkei nicht kennen und daher große Vorbehalte haben, rät der Wirtschaftsdelegierte: „Anschauen, reden, sich selbst ein Bild machen – und dann entscheiden.“

Investoren geschützt

Was die rechtliche Situation betrifft, gab die Juristin Akbal Schwimann Entwarnung. Österreichische Investoren seien gemäß dem bilateralen Investitionsschutzabkommen geschützt. Infolge des Putschs und des Ausnahmezustands könnten sich aber Gerichtsverfahren verzögern. Zumal über die Nachbesetzung der Tausenden abgesetzten Richter und Staatsanwälte Unklarheit herrsche.

Anders als für die Rating-Agentur Standard & Poor's, die kürzlich den Daumen über der Türkei senkte, ist das Land für Bruckbauer kein „Hochrisikoland“. Der durch den Putsch verursachte Fall der Lira und die Verluste an der Börse seien wieder einigermaßen wettgemacht.

„Die Probleme, die uns das Land kritisch beurteilen lassen, gibt es schon länger“, betonte Bruckbauer. Das Wirtschaftswachstum liege zwar bei 3,1 Prozent – für das Gesamtjahr geht die Bank Austria von 3,3 und für 2017 von drei Prozent aus. Das sei im EU-Vergleich gut, aber für die Türkei, die in Relation aller Osteuropa-Staaten mit einem Plus von 33,6 Prozent ab 2007 der Wachstumskaiser gewesen sei, zu wenig.

Zumal das Wachstum überwiegend vom Privatkonsum getragen sei, während Investitionen und Exporte stagnierten. Das sei ein ungesunder Mix, der noch verschärft werde, weil die Abwertung der Lira durch die hohe Inflation wieder aufgefressen werde.

Die Achillesferse des Landes bleibt laut Bruckbauer das Leistungsbilanzdefizit. Das Land brauche ständig Geld, um den Konsum anzukurbeln. Dann brauche es wiederum Kredite, um das Defizit, dass heuer auf bis zu 40 Mrd. Dollar steigen könnte, zu finanzieren.

Um die wichtigen ausländischen Kreditgeber und Investoren nicht zu vergraulen, bemüht sich die türkische Regierung aktuell um Schadensbegrenzung. Sie hat im Eilzug Maßnahmen gesetzt, um das Wirtschaftswachstum in Gang zu bringen und das Investitionsklima zu verbessern. Ob das gelingt, werde sich aber erst zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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