"Zur kriminellen Organisation": Auszüge aus dem Strafantrag

Ausschnitte aus dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen zehn Tierschützer, denen unter anderem Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation nach §278a StGB vorgeworfen wird. Die Beschuldigten streiten die Vorwürfe ab.

Das Konzept der „Tierrechtsbewegung" zielt auf die Anerkennung der spezifischen Interessen von Tieren ab. Insbesondere sollen ihnen ähnliche Rechte wie beispielsweise unmündigen bzw. nicht handlungsfähigen Menschen zugestanden werden. Dementsprechend wird von den Proponenten dieser Bewegung die Position, die Tiere als Eigentum oder Investitionsgut sieht, um dem Nutzen der Menschen zu dienen, abgelehnt.

Im Zuge der in Österreich immer mehr aufkommenden „Tierrechtsbewegung" verübte die ALF bereits Ende der 80-er Jahre mehrere Anschläge auf Pelzgeschäfte. 1990 bekannte sich eine Gruppe namens „4. Oktober" (= Welttierschutztag) zu Sachbeschädigungen zum Nachteil von Pelzhändlern in Graz, Eisenstadt und Bregenz. Ab September 1990 gingen ALF-Aktivisten auch dazu über, jagdliche Einrichtungen (Hochstände) zu zerstören (...).

Da die Durchsetzung des ideologischen Zieles der Gleichstellung von Mensch und Tier aus Sicht verschiedener Vertreter der „Tierrechtsbewegung" mit herkömmlichen, insbesondere legalen Mitteln nicht bzw. nicht in der gewünschten Raschheit zu bewerkstelligen war, einigten sich einzelne, großteils namentlich nicht bekannte Personen, die überwiegend auch Mitglieder legal zum Zweck des Tierschutzes aktiver Vereine waren bzw. nach wie vor sind, zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt, sich zwecks Verfolgung ihrer Interessen zu einer auf längere Zeit ausgerichteten Verbindung zusammenzuschließen, um in weiterer Folge organisiert Wirtschafts- bzw. Industriezweige, die - auf welche Art auch immer - ökonomischen Nutzen aus Tieren ziehen, durch fortgesetzte immaterielle und materielle Schädigung (sogenannte „ökonomische Sabotage") zur Änderung ihrer Geschäftsstrategie zu bewegen. Zield er Organisation war von Anfang an die Abschaffung der „Tierausbeutung", konkret der Tiernutzung in all ihren Erscheinungsformen (Jagd, Produktion von Nahrungsmitteln, Zirkus, Zoo, Pelz, Tierversuche u.ä.), einhergehend mit der rechtlichen Gleichstellung von Mensch und Tier. Die Vereinigung dient zwar unter anderem auch demselben Zweck wie im Bereich des Tierschutzes auftretende, eingetragene Vereine, darunter z.B. der VGT, RespekTiere, u.a., ist jedoch von diesen verschieden. (...)

Die durchgehend aus weit mehr als 10 Personen bestehende Organisation tritt seit ihrer Gründung unter Bezeichnungen bzw. Synonymen wie „Animal Liberation Front", „ALF", „ALF Liesing", „Tierbefreiungsfront", „TBF", „Animal Rights Militia" und „ARM" auf bzw. verwendet auch Phantasienamen wie „Wütende Wildschweine" und „Revolutionary Stars". Sie agiert überwiegend im Rahmen von - zumeist öffentlich kundgemachten - Kampagnen und verfolgt - in Anlehnung an die internationale „SHAC-Kampagne" - eine „Doppelstrategie", die legale und illegale Aktivitäten vereint (...), wobei die strukturelle Ausrichtung der Gemeinschaft auf die Begehung von - im Sinne des §278a StGB spezifischen - Straftaten abzielt. Ideologisch ist den Mitgliedern der Organisation gemein, dass die ökonomische Sabotage, insbesondere ALF-Anschläge, aber auch Gewalt gegen Personen, als Mittel zum angestrebten Zweck ausdrücklich gutgeheißen und sogar gefördert wird (...).

Die Vereinigung weist einen unternehmensähnlichen Organisationsgrad auf. Zum überwiegenden Teil rekrutieren sich ihre Mitglieder aus Angehörigen der (legalen) VGT und der BAT. (...)

Innerhalb der kriminellen Organisation agieren die Mitglieder arbeitsteilig. Konkret sind der Erst-, der Zweit-, der Fünft-, der Sechst- und der Zehntbeschuldigte im organisierenden, unterweisenden sowie strukturierenden Bereich tätig und verfügen über exzellente internationale Kontakte (...). Die übrigen Beschuldigten kümmern sich vorwiegend um den ausführenden Teil der Aktivitäten. (...)

Die Organisation weist insofern einen hierarchischen Aufbau auf, als eine gewisse Über- bzw. Unterordnung der Mitglieder untereinander besteht. Als Führungspersönlichkeiten der Vereinigung agieren die Beschuldigten DDr. Balluch, welcher seit 2002 auch die Funktion des Obmanns des VGT ausübt, und (...). Beide verfügen über gute internationale Kontakte, vertreten ihre jeweiligen Gruppierungen im Ausland und treten als Verfasser von Bekennerschreiben in Erscheinung (...).

Im Rahmen der einzelnen Kampagnen (...) agieren die Mitglieder der Organisation arbeitsteilig. Die (zumeist telefonische) Kontaktaufnahme mit den als Kampagnenziel auserwählten Unternehmen erfolgte zumindest seit 2006 durch den Zweit- und den Sechstbeschuldigten (...).

Die Kommandozentralen der kriminellen Organisation sind teilweise mit den Räumlichkeiten diverser im Bereich der Tierrechtsbewegung tätiger - an sich nicht strafgesetzwidrig agierender - Vereine ident. Beispielsweise steht das Büro des VGT in 1140 Wien (...) Aktivisten zwecks Nutzung der dortigen Infrastruktur zur Verfügung. (...)

Die Aktivitäten der Vereinigung werden vor allem im Wege von persönlichen Treffen, Telefonaten, durch Austausch - zumeist verschlüsselter - E-Mails und nicht zuletzt durch Kommunikation via Internet (...) koordiniert. Zuletzt war innerhalb der inkriminierten Organisation auch die Schaffung eines „Handypools", verbunden mit dem Ankauf von 20 Mobiltelefonen, geplant, um auf diesem Wege durch raschen Wechsel der Benutzer die Rückverfolgung von Gesprächen unmöglich zu machen. (...)

Die Organisation ist international vernetzt. Aktivisten treffen sich im Rahmen der (...) „International Animal Rights Gatherings" z.B. vom 10. bis 13. August 2007 in Appelscha/Niederlande (...).

Strategisch ist die Organisation unter anderem auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Vermögen und die Freiheit bedrohen, nämlich insbesondere schwere Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und schwer Nötigungen, ausgerichtet, um dadurch erheblichen Einfluss auf einzelne Wirtschaftszweige zu gewinnen und Verantwortliche diverser Industrie- bzw. Wirtschaftsbetriebe, die ökonomischen Nutzen aus Tieren ziehen (Jagd, Produktion von Nahrungsmitteln, Zirkus, Zoo, Pelz, Tierversuche u.ä.), zur Änderung ihre unternehmerischen Ausrichtung bewegen. (...) Auf der einen Seite steht die bewusste Einschüchterung der ausgewählten Opfer durch telefonische Kontaktaufnahme, Kommunikation via E-Mail und Telefax, Demonstrationen vor Firmengebäuden und Privathäusern usw., auf der anderen Seite wird die sogenannte „ökonomische Sabotage" - beispielsweise schwere Sachbeschädigungen und Brandstiftungen - bewusst und geplant eingesetzt, um Unternehmen materiellen Schaden zuzufügen. Daneben wird versucht, insbesondere im Wege der Massenmedien die Sympathie der Öffentlichkeit zu gewinnen. (...)

Auf Grund ihrer Präsenz und Praktiken erzeugt die Organisation bei den betroffenen Unternehmen bzw. Personen Angst bzw. vermittelt den Eindruck, dass ein Widersetzen gegen ihre Forderungen mit schweren Konsequenzen verbunden ist.

(Red.)

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