Markus Meindl: Macht der Tracht

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In 45 Schritten wissen Sie alles über ein bayerisches Kaff namens Kirchanschöring, dessen bekanntesten Einwohner Markus Meindl und seine größte Leidenschaft: die Lederhose.

TIPP

01 Das Familienunternehmen Meindl sitzt in Kirchanschöring, einer 2500-Seelen-Gemeinde in Oberbayern.

02 Die Wände in der Firma erzählen Geschichten: Arnold Schwarzenegger hängt auf einem Plakat. Er hat oft hier eingekauft, als er noch nicht Governor war. Markus Meindls Vater wurde neben der Kassa verewigt. Und Bilder aus dem limitierten Kunstbuch zieren die Gänge. Dort sind unter anderen Skispringer Andi Goldberger, Hangar-7-Koch Roland Trettl und Geschäftsmann Hannes Kartnig abgelichtet.

03 Ein paar Kilometer entfernt baut Markus Meindl privat ein neues Haus direkt an der Salzach. Von dort aus kann er aufs andere Ufer nach Österreich schauen.

04 Meindl gefällt die Provinz. „Gut lebt es sich hier.
Hervorragend. Wir können ja in die Stadt fahren, wenn wir wollen.“

05 Markus Meindl fährt Porsche und BMW. Erstens, weil er schnelle Autos mag. Zweitens, weil beide Automarken bei ihm Kunde sind. Für Porsche designt er Jacken, für BMW die Motorradbekleidung.

06 Die Meindls sehen sich nicht als Platzhirsche. Eine Meindl-Straße gibt es aber sehr wohl. Die Lukas-Meindl-Straße, benannt nach dem Großvater, der als ortsansässiger Schuster 1935 die erste Lederhose fertigte.

07 Vor 13 Jahren hat Meindl den Begriff „Alpiner Lifestyle“ erfunden. „Das hatte für mich so etwas Archaisches, etwas, das es nur in den Bergen gibt. Das Einfache. Ein toller Begriff mit viel Energie.“

08 Mittlerweile ist der Alpine Lifestyle von vielen kopiert worden und wird widersprüchlich benutzt. Heute verwechseln es viele mit Landhausmode.

09 Meindl ist jetzt Meindl – ohne Erklärung.

10 Meindl mag die Begriffe Landhaus oder Landlust nicht, unter denen heute oft Trachten verkauft werden. Durch Kommerzialisierung haben sie „vui“ an Charme verloren.

11 Stillosigkeit bei Trachten erkennt er an unauthentischem Kitsch wie Edelweiß und Geweihen, an zu kurzen Dirndln, bestickten Hemden oder daran, dass kein Wert auf gutes Material gelegt wurde.

12 Meindl empfiehlt, Trachten modern zu kombinieren. „Das Schöne daran ist ja, dass man mischen kann. Es will ja heute keiner mehr im Komplettlook herumrennen.“ So wirken Lederhosen und Dirndl urban und chic.

13 Der Vater von Markus Meindl und dessen Bruder haben die Herstellung von Lederhosen und Wanderschuhen in zwei Firmen geteilt. Nun führt Markus „Meindl Fashion“ und seine Cousins Lars und Lukas die wesentlich größere gleichnamige Schuhfirma. 

14 Markus Meindls Schwester hat mit Mode nichts am Hut. Sie reitet Turniere und betreibt ein Gestüt wenige Kilometer vom Firmensitz entfernt.

15 Im Headquarter ist das Nespresso-Zeitalter noch nicht angebrochen – es gibt guten, schlabbrigen Filterkaffee.

16 Meindl kam mit zehn ins Internat, besuchte in Salzburg die HAK, danach die Modeschule in Ebensee. Heute ist er 39.

17 Meindl trägt beim Interview ein enges blaues Hemd, Leinenhose, Meindl-Schuhe und eine Tom-Ford-Brille.

18 Das Männermagazin GQ hat ihn mit seinem hohen Haaransatz als die bodenständige Variante von Tom Ford bezeichnet.

19 Meindls Hund heißt Romeo, ist zwei Jahre alt und will ständig spielen.

20 Meindl mag Ayurvedakuren.

21 Meindl hat mit einem Freund die Marke Louis Trenker aufgebaut. Er hat sich davon abgewendet, weil sie seiner Ansicht nach stark auf T-Shirts und Accessoires setzt, was er als zu kommerziell empfindet.

22 Meindl liebt Leder und kann stundenlang davon schwärmen: Es ist zeitlos. Man kann es strapazieren. Daran herumreißen. Es wird von Tag zu Tag schöner. Es ist unkaputtbar.

23 Im Lager warten 70.000 Hirschhäute darauf, zu
Jacken und Hosen verarbeitet zu werden.

24 Traditionelle Gerbereien gibt es noch in Kärnten und Salzburg. Dort wird noch Fischtran verwendet, der aus dem Rohstoff erst das weiche Qualitätsleder macht.

25 Wenn Meindl durch den Laden geht, grüßt er die Stammkunden persönlich. Einer davon wirbt lautstark für seine Lederhosen: „Nur das weichste Leder für meinen alten Arsch, weil in der Holzkiste ist es hart genug.“

26 Meindl sieht gerne das Positive. Auch an der Krise. „In der Mode wird Tempo rausgenommen. Der Trend geht zu längerer Lebensdauer.“

27 Markus ist leidenschaftlicher Motorradfahrer und liebt die kurvenreichen Straßen in Österreich.

28 „Wenn ich eine Lederhose, in der 60 Arbeitsstunden stecken, um 2000 Euro verkaufe, empfindet man das als teuer. Wenn man um 2000 Euro sein Auto reparieren lässt, ist das okay. Da stimmt doch was nicht mit der Wertigkeit.“

29 Meindl designt und produziert keine Accessoires. Oder so gut wie keine. Im Geschäft finden wir ein Lederhosentascherl, in das gerade einmal ein Lippenstift und ein Schlüssel passen.

30 Meindl kennt Peter Goachs Lederbadehose, mit der die österreichische Schickeria diesen Sommer baden ging, nicht. Vor Jahren hat er aber selbst einmal Unterhosen im Lederhosenlook bedruckt.

31 Das Geschäft in Kirchanschöring wird gerade um
einen Loungebereich vergrößert. Ein riesiges Fenster gibt den Blick auf den Misthaufen frei. In der Stube daneben steht noch der Kachelofen von der Oma.

32 Für das Interiordesign zeichnet Markus Meindl selbst verantwortlich. „Das Einzige, was man braucht, ist ein gutes Gefühl für Materialien.“ Er kombiniert Stein, Holz, Leder. Und Wildköpfe.

33 In Kirchanschöring gibt’s eine Kirche, aber keine Polizei und kein Wirtshaus weit und breit. „Ein Drama!“ Deshalb fährt Meindl zum Brandstätter nach Salzburg. 

34 Meindl verwendet keinen Pelz. Nur Lammfell.

35 Meindl betreibt sieben Lohnfertigungen in Kroatien, Bosnien und Ungarn.

36 Das alte Handwerk des Lederhosenmachers heißt Säckler.

37 In Meindls Büro hängen ein Luster und ein Geweih. Am Boden liegen ein Kuh- und ein Zebrafell.

38 Damen aus der Umgebung verzieren die Lederhosen mit traditionellen Stickereien. Im Anschluss lässt Meindl das Leder mitsamt dem Garn ordentlich aufreiben, damit es weich und getragen wirkt. Noch hat keine der Heimwerkerinnen die „zerstörten“ Stickereien gesehen. Davor fürchtet er sich. „Wenn die das wüssten . . .“

39 In der Nacht hat Meindl immer die besten Einfälle.

40 Exotisches? „Natürlich probieren wir andere Sachen aus. Ein anderes Leder hat gleich eine ganz andere Energie und Wirkung. Im Grunde stehen wir aber für Hirsch, Reh und Lamm.“

41 „Wenn wir experimentieren, nehmen wir nur Krokos, die Selbstmord verübt haben.“

42 Am besten gefallen ihm die Dirndln von Tostmann.

43 Tradition, Dialekt und „Hoamat“ gehören zu seinem Leben wie der Radiosender FM4, das Motorrad und das Snowboard.

44 Dass manche Menschen Tracht immer noch mit Nationalsozialismus in Verbindung bringen, hat er noch nie bedacht.

45 Laut Meindl muss man überhaupt nicht jodeln können, um seine Lederjacken zu tragen.

Das Oktoberfest in München startet am 19. 9.

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