Das Geschäft mit der Angst

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SPAIN-HISTORY-CIVIL-WAR-SHELTERAPA/AFP/JORGE GUERRERO
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Der Verkauf von (teuren) Notfallprodukten boomt.

Von außen sieht der Eingang aus wie bei einem gewöhnlichen Tunnel. Kein Mensch würde vermuten, was sich unter der Erdoberfläche verbirgt. Ein Mikrokosmos, eine kleine Schutzwelt, in der nur Superreiche Zuflucht haben. Auf 14 Stockwerken unter der Erde haben findige US-Unternehmer in Kansas einen alten Bunker in Luxusapartments umgebaut, die vor einer Katastrophe – sei es der Dritte Weltkrieg, eine Atomkatastrophe etc. – schützen sollen. Jedes der Apartments (es gibt auch Hotelzimmer) ist luxuriös und großräumig eingerichtet, mit Swimmingpool, Arzt- und Zahnarztpraxis, einer Hundezone, einem Kino und natürlich Essensvorräte für ein Jahr. Und es ist nicht das einzige Projekt.

In Amerika boomt das Geschäft mit den aufgerüsteten Bunkern. TV-Serien wie „Doomsday Preppers“ haben die Bildung einer Szene befeuert, die sich (mit finanziell großem Aufwand) auf eine mögliche Katastrophe vorbereiten. Prepper heißen diese Menschen, und es gibt sie in allen Gesellschaftsschichten. Auch in Österreich und Deutschland ist das Phänomen, vor allem seit der Finanzkrise 2008, vorhanden. Seither ist die Zahl der Firmen, die Notfallprodukte selbst anbieten, oder die Zahl der Kurse, in denen Menschen lernen, autark zu überleben, explodiert. Auch die Zahl der Foren und Beiträge, die die Produkte und Kurse analysieren und bewerten. Der Prepper (englisch: „prepare“) ist zu einem Lebensstil geworden.

Die Firma Innova Zivilschutz war eine der ersten in Österreich, die sich mit dem Thema beschäftigte. Sie bietet seit den 1990ern (also schon lange vor dem Boom) haltbare Notfalllebensmittel an. Zu einem stattlichen Preis von rund 1000 Euro kann man sich für drei Monate mit Notfallnahrung (auch Fleischgerichte) eindecken. Für 3500 Euro bekommt man Grundnahrungsmittel (Nudeln, Erbsen, Karotten) für ein Jahr. Den Produkten wurde das Wasser entzogen, sie sind vakuumverpackt und damit 15 bis 20 Jahre haltbar. „Seit der Finanzkrise hat sich mein Geschäft verzehnfacht“, sagt Geschäftsführer Hanspeter Kögl zur „Presse am Sonntag“. Er ist im Stress. Mit der Bevorratungsmeldung aus Deutschland (siehe Artikel links) ist auch sein Geschäft wieder am Brummen. 80 Prozent seiner Kunden sind Deutsche. Jedes Mal, wenn ein Unglück passiert, stehen die Leute vor seiner Tür. „Manche fahren dann mit dem Lastwagen vor“, sagt er. Nachsatz: „Es gibt natürlich Menschen, die übertreiben.“

Realistisch bleiben. Kögl argumentiert vorsichtig. Als Geschäftsführer und Gründer einer Firma, die zu einem guten Stück von der Angst anderer lebt, muss er aufpassen, was er sagt. Einerseits darf er seine (ängstlichen) Kunden nicht vertreiben, andererseits wird jemandem wie ihm schnell Panikmache vorgeworfen. Der Szene wird ohnehin vorgeworfen, den Bezug zur Realität verloren zu haben. „Man muss realistisch bleiben. Aber ein bisschen etwas auf Vorrat haben, ist nicht blöd“, sagt Kögl dazu.

Seine Firma schlägt eine Bevorratung von drei Wochen vor. „Leute aus der Branche“, fügt Kögl allerdings hinzu, „bereiten sich für zwei Jahre vor.“ Die Legitimation für seine Produkte sieht er auch in der Bequemlichkeit. Konserven aus dem Supermarkt würden zu schnell ablaufen. Seine Produkte seien zwar auf den ersten Blick teuer, dafür hätte man dann 15 bis 20 Jahre eine Ruhe. „Ich vergleiche das mit einer Versicherung, bei der ist es auch gut, wenn man sie hat.“

Doch wie bei Versicherungen führt der Wunsch nach Absicherung oft zum nächsten Schritt. Wer will, kann sich im Internet um mehrere Hundert Euro einen Notfallrucksack (falls man flüchten muss) kaufen, inklusive Luftdruckgewehr, Messer, Wasserfilter, Zelt und Schlafsack für den Notfall. Ein Schießkurs für das Verteidigen seines Hab und Gut wäre dann aber auch nicht schlecht, und eine Hütte im Wald, in der man autark leben kann, ebenso. Am Ende steht das Luxusapartment im Bunker. Wer das Geld dafür hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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