Türkei setzt Militäroffensive in Nordsyrien fort. Berichte über „Massaker“.
Ankara. Ein neuer Krieg im Krieg tobt seit der Vorwoche auf Nordsyriens Schlachtfeldern – und ein Ende ist nicht in Sicht: „Unsere Operationen werden weitergehen, bis Terrororganisationen wie Daesh (IS, Anm.) die PKK und ihr syrischer Ableger YPG keine Gefahr mehr für unsere Bürger sind“, erklärte der türkische Präsident, Reçep Tayyip Erdoğan, der damit erneut die Terrormiliz IS und die mit dem Westen verbündete YPG-Kurdenmiliz in einem Atemzug nannte. Frankreichs Präsident, François Hollande, warnte zwar gestern vor einer Eskalation durch die neue türkische Offensive gegen kurdische Milizen, doch sein Appell verhallte genauso wie jener von US-Verteidigungsminister Ashton Carter, der beide Seiten aufrief, die „gegenseitigen Kämpfe“ einzustellen. Stattdessen deckten sich Kurden und Türkei mit Vorwürfen ein: Am Montag hatte Ankara der YPG-Miliz „ethnische Säuberungen“ unterstellt, gestern sprach der mit der YPG verbündete Militärrat von türkischen „Massakern“ in der Region um das syrische Manbij – mit dem Zweck, die Einwohner von dort zu vertreiben.
Kein EU-Beitritt unter Erdoğan
Die Türkei führt einen Zweifrontenkrieg, denn innerhalb der Landesgrenzen geht nach dem Putschversuch die Jagd auf mutmaßliche Anhänger des Gülen-Netzwerks weiter. Es gab Haftbefehle gegen 35 weitere Personen, darunter zahlreiche Journalisten. Der „Hürriyet“-Reporter Dinçer Gökçe wurde festgenommen. Die Säuberungen belasten die Beziehungen zu Brüssel. EU-Kommissar Günther Oettinger halte einen Türkei-Beitritt unter Erdoğan für unmöglich, wie er der „Bild“ sagte. Und auch der EU/Türkei-Flüchtlingsdeal wackelt. Ankara beharrt auf seiner Forderung nach EU-Visumfreiheit bis Oktober. Die Türkei könne andernfalls die illegale Migration in die EU nicht allein stoppen, so Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)