Jetzt beginnt die „Math Men“-Ära

Andrew Keen
Andrew Keen(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Internetkritiker Andrew Keen hält nichts davon, wenn Länder das Silicon Valley kopieren. Programmieren werde bald so selbstverständlich sein wie Geschirr abwaschen.

In den USA erleben Waldorfschulen gerade einen regelrechten Aufschwung, besonders im Silicon Valley. So erzählte es der britisch-amerikanische Internetkritiker Andrew Keen am Dienstagnachmittag in Alpbach. In diesen Schulen sei Kindern unter 12 Jahren verboten, einen Bildschirm zu nutzen. Gerade Silicon-Valley-Unternehmern ist es wichtig, dass ihre Kinder sich möglichst spät mit digitalen Technologien beschäftigen, andere Dinge zuerst lernen.

Der neue Trend zu diesen Alternativschulen sei aber gerade für Österreich interessant, das Geburtsland von Waldorfschulen-Gründer Rudolf Steiner, so Keen. Weil es auf die reiche intellektuelle Geschichte des Landes verweise. Es sei wichtig, sich auf seine Stärken zu konzentrieren statt Erfolgsmodelle anderer Länder kopieren zu wollen. „Der größte Fehler ist, dass alle außerhalb des Silicon Valley sein wollen wie das Silicon Valley“, sagte Keen. „Großartige Unternehmer sind meist eklektisch und wagemutig. Aber man kann keine Marc Zuckerbergs erzwingen. Dafür gibt es keine Anleitung.“

„50 Shades of Regulation“

Keen war einer der Teilnehmer der Breakout-Session „Quo Vadis Digital Europe/Austria“ in der Hauptschule. Mit ihm diskutierten Erste-Group-Vorstand Peter Bosek, GroupM-Connect-Chef Rudiger Wanck und der Investor Markus Wagner über die Frage, wieso sich Europa etwa im Gegensatz zu den USA oder China schwerer tut, im Digitalsektor zu reüssieren. Wieso kommen AirBnB, Uber oder Alibaba eben nicht aus Europa, sondern anderen Staaten. Peter Bosek sieht einen Grund in der Überregulierung des Marktes. „Wir befinden uns mitten in ,50 Shades of Regulations‘“, scherzte er. Andrew Keen widersprach dem Manager hier. Ein Regelwerk sei schon notwendig, Vorschriften würden die Innovation schützen.

Rudiger Wanck betonte, wie sehr sich gerade die Medienbranche verändere. Das, was derzeit stattfinde, sei aber erst „das Ende vom Beginn“ – und es gebe viele Chancen, nicht nur für Megakonzerne wie Google, sondern auch für eher traditionelle Inhalteanbieter. „Ich denke nicht, dass es jemals so viel Bedarf an Medien gegeben hat wie heute.“ Aber die Basis der Medien verändere sich: „Heute geht es vor allem um Technologie und Daten.“ Nach der schon lange vergangenen „Mad-Men-Ära“ beginne nun die „Math-Men-Ära“. Wer in der digitalen Welt mitspielen will, muss sich mit Zahlen und Datenanalyse auskennen. Darauf werde auch das Bildungssystem reagieren müssen. Andrew Keen ist aber optimistisch, dass es irgendwann ganz selbstverständlich sein wird, dass man programmieren kann. „Das wird so normal wie Geschirr abwaschen oder Staubsaugen.“

Sind Europäer digitalen Errungenschaften gegenüber skeptischer und mehr auf ihre Privatsphäre bedacht? Markus Wagner, der als i5invest-Gründer und -Geschäftsführer US-amerikanische Investoren über den europäischen Markt informiert, glaubt das nicht. „Wir nutzen auch unsere Kreditkarte weiter, wenn sie gehackt wurde.“

Google kennt uns besser

Andrew Keen kritisiert vor allem die „Big Five“ des Internetgeschäfts, allen voran Facebook und Google. Die hätten beide ein brillantes Geschäftsmodell entwickelt. „Wir zahlen nichts für die Nutzung von Facebook und Google, aber wenn etwas auf den ersten Blick gratis ist, dann sollte man trotzdem seine Taschen überprüfen. Nichts im Leben ist frei. Deren Geschäftsmodell beruht darauf, dass sie durch jeden unserer Klicks wieder mehr über uns erfahren.“ Und Keen erinnerte an ein weithin bekanntes Zitat von Google-Chef Eric Schmidt: „Die kennen uns besser als wir uns selbst.“ Weniger kritisch sieht Keen das Unternehmen Apple. „Ihr Geschäftsmodell ist besser als das von Facebook und Google. Sie verkaufen Produkte, für die man zahlen muss.“

GroupM-Connect-Manager Rudiger Wanck erzählte zu Beginn der Breakout-Session, dass 48 Prozent aller Chief Marketing Officers in einer Studie angaben, sie seien nicht auf den digitalen Wandel vorbereitet. „Und die anderen 52 Prozent haben gelogen“, so Wanck. „Niemand ist vorbereitet.“

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