Rüsten gegen Google, Amazon und Facebook

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Symbolbild (c) REUTERS (DADO RUVIC)
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Europa hinke bei der Digitalisierung den USA weit hinterher, warnt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger. In die selbe Kerbe schlägt EU-Kommissar Oettinger: Ohne europäische Digitalstrategie „werden wir untergehen“.

Elf Jahre lang leitete Karl Aiginger das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Damit ist jetzt Schluss. Seit gestern, Donnerstag, ist Aiginger als Ökonom sozusagen Privatier. Und will, so hat er angekündigt, längere Zeit nicht zu österreichischen wirtschaftlichen Problemen Stellung nehmen. Das heißt aber nicht, dass er sich gar nicht zu Wort meldet. Im Gegenteil. Am gleichen Tag, an dem er das Wifo an Ex-WU-Rektor Christoph Badelt übergab, lud Aiginger zur ersten Pressekonferenz in neuer Funktion. „Ich spreche hier als Leiter der Querdenker-Plattform und nicht mehr als Wifo-Chef“, stellte er einleitend klar.

Aiginger hat schon länger ein Faible für europapolitische Themen. Denen wird er sich nun mit der „Querdenkerplattform: Wien – Europa“ widmen. Der Verein soll eine Diskussionsplattform sein, die Lösungen für wirtschaftliche, soziale, gesellschaftliche und ökologische Probleme in Europa“ erarbeitet. Ein wissenschaftlicher und politischer Beirat begleiten die Plattform, Aiginger ist Direktor. Im politischen Beirat sitzen unter anderem Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), ÖGB-Präsident Erich Foglar und WKÖ-Chef Christoph Leitl. „Wir stehen an einem Scheideweg: Zurück zum Nationalstaat oder das beste Modell für die globalisierte Wirtschaft entwickeln“, so Aiginger gestern. Die Querdenkerplattform soll einen Beitrag dazu leisten.

„Es könnte sein, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Europas wird“, findet der Ökonom. Denn das europäische Modell sei das Modell für reiche Gesellschaften. Es werde aber zu wenig vermarktet, „weder gegenüber der eigenen Bevölkerung noch gegenüber anderen Ländern“.

„Das falsche Schreckgespenst“

Für die Zukunft Europas sei unter anderem entscheidend, wie man mit dem Thema Digitalisierung umgehe. „Der Nachzügler in der Digitalisierung verliert Arbeitsplätze, der Vorreiter gewinnt, das ist sicher“, so Aiginger. „Europa ist kein Vorreiter“. Europa liege beim Thema Digitalisierung weit hinter den USA und Ländern wie Südkorea zurück.
Studien, die davon ausgehen, dass durch die Digitalisierung 50 Prozent der Arbeitsplätze verloren gehen, widerspricht Aiginger. „Die Tätigkeiten ändern sich, aber sie gehen nicht verloren.“ Die Jobverluste durch Digitalisierung würden eher im Bereich von zehn Prozent liegen, wie die OECD prognostiziere. Digitalisierung sei jedenfalls „das falsche Schreckgespenst“, so Aiginger. Sie könne ein Problem sein, aber auch viele Probleme lösen und zur Wohlfahrtssteigerung beitragen. „Sie passiert nicht, sie ist gestaltbar.“

Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forum Alpbach, pochte auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Digitalstrategie der EU-Länder. „Wir brauchen dringend eine breite Debatte darüber, welche Auswirkungen die Digitalisierung hat.“ Sie biete „ungeheure Möglichkeiten und gewisse Risiken“. Im Zentrum stehe die Frage, was das unserer Gesellschaft bringe. „Wir in Europa tendieren dazu, nur auf die Amerikaner zu reagieren, anstatt eigene Strategien zu entwickeln“, kritisierte Fischler. Am besten komme man in der Debatte weiter, wenn man akzeptiere, dass die Digitalisierung eine der Grundkulturtechniken der Zukunft ist. „So wie Lesen und Schreiben.“

In die selbe Kerbe schlug zuvor EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. Die Digitalisierung des europäischen Binnenmarktes werde entscheidend für die künftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Europas sein, so Oettinger am gestrigen Donnerstag bei einer Veranstaltung im Rahmen der Wirtschaftsgespräche. „Wir brauchen einen europäischen digitalen Binnenmarkt, eine europäische digitale Union“.

Wer die Daten hat, der hat die Macht

„Die US-Freunde haben eine klare Strategie. Wenn wir keine europäische entwickeln, werden wir untergehen“, warnte Oettinger. Entscheidend sei, wer die digitalen Daten habe, denn der habe auch die Macht. Die USA wollten ihre Überlegenheit auf dem Gebiet nutzen und in eine gesamtwirtschaftliche Strategie umwandeln, um im Wettbewerb zu gewinnen. Diese Strategie richte sich nicht primär gegen Asien, sondern gegen die europäische Industrie. In Europa werden laut Oettinger 600 bis 700 Milliarden Euro in die Digitalisierung zu investieren sein. Es brauche 160.000 zusätzliche IT-Spezialisten. „Nur gemeinsam sind wir stark gegenüber Google, Amazon oder Facebook.“ (bin)

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