Nukleartest war auch Provokation gegen Peking

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Pjöngjang brüskiert nun sogar seinen mächtigsten Verbündeten. Doch Härte aus China wird Nordkoreas Nuklearambitionen nicht stoppen.

Peking. Die Menschen in Yanbian sind es inzwischen gewohnt, dass die Erde wackelt. Die Gegend an der Grenze Chinas zur koreanischen Halbinsel ist zwar keine Erdbebenregion. Doch schon die Detonationen der vier bisher von Nordkorea vorgenommen unterirdischen Atomtests waren auf der chinesischen Seite zu spüren. Die Wucht, die die Menschen von Yanbian Freitagfrüh allerdings erlebten, haben alles Bisherige übertroffen. „In meinem Haus ist sogar ein Kasten umgefallen“, wird ein chinesischer Grenzbewohner von chinesischen Medien zitiert.

Trotz dieser schweren Explosion im unmittelbaren Grenzgebiet versucht das Regime in Peking in alter Manier Nordkoreas inzwischen fünften Atomtest herunterzuspielen. Chinesische Staatsmedien berichteten am Freitag, die Detonation habe oberirdisch stattgefunden. Deswegen bebte die Erde viel stärker als bei den bisherigen vier Atombombentests, die allesamt unterirdisch abgehalten wurden. Die Explosion sei aber nicht viel stärker gewesen als beim Test im Februar 2013, werden Experten zitiert. Südkorea hingegen berichtet vom bisher stärksten Test.

Dabei ist auch Pekings Verhältnis zu Pjöngjang inzwischen angespannt. So sehr China offiziell in Nordkorea noch immer einen Bruderstaat sieht und vor allem verhindern möchte, dass die USA auf der koreanischen Halbinsel zu sehr an Einfluss gewinnt – die Aversionen zwischen den Nachbarn sind nicht mehr zu übersehen. Erst zu Wochenbeginn feuerte Nordkorea drei Mittelstreckenraketen ab, die zwar allesamt ins Meer stürzten, aber eine Reichweite von über 1000 Kilometer schafften. China hielt gerade den G20-Gipfel in Hangzhou ab. Wu Riqiang, Nordkorea-Experte an der Pekinger Renmin Universität, ist sich sicher: „Es handelte sich um eine Provokation, die sich auch gegen China wendet.“

Chinas Kurswechsel kommt zu spät

Umgekehrt nimmt auch Peking kein Blatt mehr vor den Mund. Schon nach dem Atomtest im Jänner hat China ohne große Einwände sämtliche UN-Sanktionen gegen Nordkorea mitgetragen. Der Test sei unter Missachtung internationaler Einwände vorgenommen worden, kritisierte Chinas Außenministerium nun. Es hat eigenen Angaben zufolge am Freitag eine Protestnote bei der nordkoreanischen Botschaft eingereicht.

Chinas Kurswechsel könnte zu spät kommen. Experten gehen davon aus, dass Pjöngjang bald der schwierige Schritt gelingen wird, Mittelstreckenraketen auch atomar zu bestücken und abzufeuern. „Es wird nicht lange dauern, bis Nordkoreas Ingenieure auch diese Hürde überwunden haben“, befürchtet Narushige Michishita, Nordkorea-Experte am National Graduate Institute for Policy Studies (Grips) in Tokio. Vermutlich sei es eher eine Frage von Monaten als von Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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