Luxemburgs Außenminister fordert Ausschluss Ungarns aus EU

Jean Asselborn plädiert für eine Änderung des EU-Vertrags.
Jean Asselborn plädiert für eine Änderung des EU-Vertrags. (c) imago/Horst Galuschka (imago stock&people)
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Asselborn wirft Orban eine massive Verletzung von EU-Grundwerten vor. Ungarn sei "nicht mehr weit weg vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge."

Wenige Tage vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Bratislava hat Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn den Ausschluss Ungarns aus der EU gefordert. Im Interview mit der deutsche Zeitung "Die Welt" (Dienstagsausgabe) warf er dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban eine massive Verletzung von Grundwerten der EU vor.

"Wer wie Ungarn Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut oder wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden", sagte Asselborn der "Welt" (Dienstag). Dies sei die einzige Möglichkeit, um den Zusammenhalt und die Werte der EU zu bewahren. "Der Zaun, den Ungarn baut, um Flüchtlinge abzuhalten, wird immer länger, höher und gefährlicher. Ungarn ist nicht mehr weit weg vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge", sagte Asselborn weiter. Wenn das Land heute EU-Mitglied werden wollte, hätte es keine Chance, aufgenommen zu werden, sagte Asselborn.

Schaden für Ansehen Europas

Auch dem Ansehen Europas in der Welt würde dies schaden. "Typen wie Orban haben uns eingebrockt, dass die EU in der Welt dasteht wie eine Union, die sich anmaßt, nach außen Werte zu verteidigen, aber nach innen nicht mehr fähig ist, diese Werte auch aufrecht zu erhalten", sagte Asselborn weiter. "Und das in einem Land, aus dem 1956 hunderttausende Menschen vor den Sowjets nach Europa geflohen sind." Orban hatte Ende August die Errichtung eines zweiten Zauns zur Sicherung der Grenze zu Serbien angekündigt.

Der Minister plädierte für eine Änderung des EU-Vertrages, damit ein solcher Ausschluss leichter möglich wird. "Es wäre hilfreich, wenn die Regeln so geändert würden, dass die Suspendierung der Mitgliedschaft eines EU-Landes künftig keine Einstimmigkeit mehr erfordert", sagte er.

Heftige Reaktion aus Budapest

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hat seinen luxemburgischen Kollegen derweil als "unernste Figur" bezeichnet. "Er hat sich schon längst selbst aus der Reihe der ernst zu nehmenden Politiker ausgeschlossen", sagte Szijjarto in Budapest. Man sehe, dass Asselborn nicht weit von Brüssel entfernt zu Hause ist, denn er sei "belehrend, arrogant und frustriert", fügte Szijjarto hinzu.

Ich kann dieser Aussage sehr wenig abgewinnen", sagte Außenminister Sebastian Kurz zu Asselborns Forderung, Ungarn aus der EU auszuschließen. Es müsse in der Union möglich sein, "hart zu diskutieren", erklärte Kurz vor dem Ministerrat. Aber einem Partner medial auszurichten, man wolle ihn nicht mehr dabeihaben, "trägt nicht zu einem Mehr an Miteinander bei".

Steinmeier auf Distanz

Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist auf Distanz zu Asselborn gegangen. "Es ist jetzt nicht meine persönliche Haltung, einem europäischen Mitgliedsstaat die Tür zu weisen", sagte Steinmeier am Dienstag bei einem Besuch in Lettland. "Wir müssen uns den komplizierten Debatten, die es da manchmal gibt, auch stellen." Steinmeier - ein persönlicher Freund Asselborns - betonte, dass der Vorstoß des Luxemburgers "keine abgestimmte Haltung" sei. "Auf der anderen Seite kann ich verstehen, dass mit Blick auf Ungarn einige in Europa ungeduldig werden angesichts der fortdauernden Debatten zwischen der EU-Kommission und der ungarischen Regierung." Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics bezeichnete Asselborns Vorschlag als "Megaphon-Diplomatie". "Diese Rhetorik hilft uns nicht."

EU-Gipfel in Bratislava am Freitag

Am Freitag treffen einander in der slowakischen Hauptstadt Bratislava die Staats- und Regierungschefs der EU. Sie wollen darüber beraten, wie die Union künftig aussehen soll, wenn Großbritannien den geplanten Austritt vollzogen hat.

Außenminister Sebastian Kurz hatte Länder wie Ungarn oder Polen wegen ihrer Weigerung, die EU-Flüchtlingsquoten zu erfüllen, vor einigen Wochen im APA-Interview verteidigt. "Alleine mit der Verteilung wird man das Problem nicht lösen", erklärte der ÖVP-Politiker damals. Manche mitteleuropäischen EU-Länder sollten anderen Staaten nicht ihre Meinung aufzwingen, fügte Kurz hinzu, "bloß weil sie glauben moralisch überlegen zu sein". Die EU sei im vergangenen Jahr "falsch abgebogen", argumentierte der Außenminister. Sie habe zugelassen, dass sich Flüchtlinge das Land aussuchen konnten, wo sie um Asyl ansuchten.

(APA/Reuters/dpa)

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