Der österreichische Kommissar geht um

Die heimische Geheimniskrämerei um den EU-Posten ist ein Unikum. Ist das notwendig?

Eines muss man der Regierung lassen: Sie macht EU-Politik derzeit unglaublich spannend. Und so geheimnisvoll! Wer wird nun als EU-Kommissar nach Brüssel geschickt, lautet das große Mysterium. Kaum dringt ein Name durch, taucht schon der nächste auf. Ja – und sogar EU-Kommissionspräsident José Barroso persönlich soll sich eingemischt und seine Vorlieben zur Auswahl aus Wien zum Ausdruck gebracht haben!

Doch scheint der Posten endlich einigermaßen fix vergeben, folgt das halbherzige Dementi. Und die Frage: Wer hat ihn oder sie ins Spiel gebracht? Welches parteipolitische Machtkalkül steckt jetzt schon wieder dahinter? So brodelt die Gerüchteküche vor sich hin.

Ist das notwendig? Diese etwas intrigante Geheimniskrämerei ist ein österreichisches Unikum. In keinem anderen EU-Land wird über den Namen des EU-Kommissars öffentlich so wild spekuliert wie hier, in keinem anderen EU-Staat wird ein so großes Geheimnis um dessen Bestellung gemacht. Vor allem: In kaum einem anderen EU-Mitgliedstaat wird die Postenvergabe so sehr für regierungs- und parteiinterne Machtkämpfe missbraucht wie in Österreich.

In den EU-Hauptstädten wundert man sich bereits. Aber nicht nur deshalb wäre endlich Transparenz angebracht: Die Regierung sollte der EU-skeptischen Bevölkerung signalisieren, dass es beim EU-Kommissar um mehr geht als um das übliche großkoalitionäre Postenschachermachtspiel.


susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Zackenbarsch mit Politgespür

Kritiker werfen José Manuel Barroso vor, ein Karrierist ohne politische Visionen zu sein. Die Befürworter des Kommissionschefs sehen gerade darin seine Stärke.
Europa

Barroso will EU-Kommission erst nach Irland-Referendum zusammenstellen

"Die Kommissare werden bestellt, wenn Klarheit besteht, welchen Vertrag wir haben", sagt der am Mittwoch wiedergewählte Kommissionspräsident.
Europa

Reaktionen: "Zeichen der Kontinuität und Stabilität"

Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel betonte, Barroso habe von Beginn an die volle österreichische Unterstützung gehabt.
Europa

EU: Barroso sucht Österreichs Kommissar

Der nächste EU-Kommissionschef heißt José Barroso. Im Oktober wird der neue österreichische Kommissar fixiert. Neben Molterer werden Ferrero und Plassnik gehandelt – und Maria Fekter.
Europa

EU-Parlament: Barroso für zweite Amtszeit bestätigt

Der alte Kommissionspräsident ist auch der neue: Der portugiesische Konservative Barroso erhielt bei der geheimen Abstimmung am Mittwoch in Straßburg eine Mehrheit von 382 der insgesamt 736 Abgeordneten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.