TV-Stars im Dienst der Kreml-Partei

CRIMEA-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-POLITICS-ELECTION
CRIMEA-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-POLITICS-ELECTION(c) APA/AFP/VASILY MAXIMOV
  • Drucken

Bei Duma-Wahlen am Sonntag wird Einiges Russland die Mehrheit nicht zu nehmen sein – mithilfe von Mandataren, die sich unabhängig geben, aber unter Einfluss der Partei stehen.

Moskau. Normalerweise hält Wladimir Putin einigen Abstand zur Partei Einiges Russland. Es ist nicht so, dass er mit der Partei nichts zu schaffen hätte: Immerhin ist sie sein Machtinstrument in der Duma, das diese dominiert und stets zuverlässig und ohne lange Debatten die Gesetzesinitiativen aus der Verwaltung absegnet.

Doch die Partei gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als Verein grauer Staatsdiener und korruptionsanfälliger Funktionäre. Angeführt wird sie von dem für die unangenehme Tagespolitik zuständigen Premier, Dmitrij Medwedjew. Der russische Präsident hingegen wahrt lieber sein Image als unangreifbaren, gerechten Herrscher.

Wenn es sein muss, springt sogar Putin für seine Partei in die Bresche. Jetzt, in den Tagen vor der Duma-Wahl am Sonntag, ist dieser Zeitpunkt gekommen. Er hoffe, dass die Kernmannschaft von Einiges Russland im nächsten Parlament erhalten bleibe, sagte Putin, damit „wir uns gemeinsam vorwärtsbewegen können und alle jene Aufgaben lösen, die vorrangig sind“.

In den Umfragen steht Einiges Russland an erster Stelle. Die Zustimmung zur Partei habe sich leicht auf über 41 Prozent verbessert, teilte das Moskauer Meinungsforschungsinstitut Vziom zu Wochenbeginn mit. Der Putin-Bonus könnte Wirkung zeigen. Zuvor hatte das unabhängige Lewada-Zentrum der Partei im August nur 31 Prozent der Stimmen zugesprochen – ein historischer Tiefstand.

Image der Bürokratenpartei

Neben Einiges Russland haben die Kommunisten von Gennadij Sjuganow, Wladimir Schirinowskis Liberaldemokraten und die Partei Gerechtes Russland die Chance, die Fünfprozenthürde zu überwinden. Sie alle waren auch bisher in der Duma vertreten. Außer von Listenkandidaten wird diesmal die Hälfte der 450 Sitze mit Direktmandataren besetzt. Viele Direktkandidaten in den Wahlkreisen sind ebenfalls regierungsnahe Kandidaten. Als populär haben sich bekannte Persönlichkeiten wie TV-Moderatoren, Sänger und Ärzte erwiesen, die von den Bürgern nicht unmittelbar mit der Bürokratenpartei assoziiert werden – und dennoch auf ihrem Ticket in die Duma gelangen.

Es ist eine Strategie, die das angeschlagene Image der Partei umgeht, dem Regierungslager aber mehr Sitze als bisher bringen könnte. Insbesondere dann, wenn sich die Wahlbeteiligung in Grenzen hält. Grigorij Melkonjanz, Vize-Chef der Wahlbeobachterorganisation Golos, hält dies für die eigentliche Strategie der Regierenden. Der Wahlkampf richte sich an die Kerngruppen von Einiges Russland, die sogenannten abhängigen Wähler, die man in Russland auch als „Budgetniki“ bezeichnet: öffentlich Bedienstete, die vom staatlichen Budget abhängen und auf die leichter Druck ausgeübt werden kann. Es sei üblich, in Schulen, Betrieben und Ämtern Versammlungen abzuhalten, in denen den Anwesenden die „richtige Wahl“ der Regierungspartei nahegelegt wird, da andernfalls Arbeitsplätze nicht zu sichern seien oder weniger Finanzmittel bereitgestellt würden, erklärt Melkonjanz im Gespräch mit der „Presse“.

Während also öffentlich Bedienstete, Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und staatsnaher Betriebe aktiviert werden, sollen oppositionsnahe Wähler und Gelegenheitswähler nicht aktiv angesprochen bzw. zur Wahlteilnahme eher demotiviert werden. „Eine besonders hohe Wahlbeteiligung ist nicht nötig. Je mehr Teilnehmer, desto weniger kontrollierbar ist das Ergebnis“, meint Melkonjanz.

„Wir haben kein Geld mehr“

Mehrere Kleinparteien zittern zudem um den Duma-Einzug, für den eine Fünfprozenthürde zu überwinden ist. Als demokratische Oppositionsparteien sind Jabloko und Parnas zugelassen. Oppositionellen der jungen Generation wie Alexej Nawalny wird die Registrierung ihrer politischen Projekte versagt. Nawalny selbst darf aufgrund einer früheren gerichtlichen Verurteilung nicht antreten.

All das sind Einschränkungen, die durch gesetzliche Änderungen nach der letzten Protestwelle von 2011 durchgesetzt wurden. Jabloko und Parnas, die in der Wählergunst nicht besonders hoch stehen, können vermutlich höchstens einen ihrer Direktkandidaten durchbringen: Etwa Dmitrij Gudkow, der bisher in der Duma klare oppositionelle Ansichten vertreten, in den sozialen Medien viele Anhänger hat und am Sonntag im Wahlkreis Tuschino im Nordwesten Moskaus kandidiert.

Jüngst musste Gudkow, der sich als liberaler, proeuropäischer Politiker positionierte, seine Kampagne kurzzeitig stoppen. „Wir haben kein Geld mehr“, schrieb er auf Facebook. Großspender, auf die er gesetzt habe, hätten ihre Finanzierungszusagen nicht erfüllt. Gudkow machte unter anderem Einschüchterung seiner Unterstützer für seine Schwierigkeiten verantwortlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Russlands Präsident Putin (Mitte).
Außenpolitik

Journalistin Gessen: „Russlands Gesellschaft ist totalitär“

Die in New York lebende russische Journalistin Masha Gessen spricht über die Dumawahlen am Wochenende. Sie erklärt, wie das System Putin funktioniert und wie es die Menschen der eigenen Meinungsbildung beraubt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.