„Wissen Sie, unsere Welt ist eine einfachere“

The logo of Europe's biggest insurer Allianz SE is seen on the company tower at La Defense business and financial district in Courbevoie
The logo of Europe's biggest insurer Allianz SE is seen on the company tower at La Defense business and financial district in CourbevoieREUTERS
  • Drucken

Die Allianz stieg kürzlich groß ins Gasleitungsnetz der OMV ein. Eine Gasstrategie habe man nicht, sagen die Allianzmanager Christoph Holzer und Wolfram Littich: aber beste Absichten.

Die Österreicher verbinden mit dem Allianz-Konzern Versicherungen und fragen sich daher, wieso er mit der italienischen Snam für 601 Mio. Euro 49 Prozent des österreichischen Gasleitungsnetzes kauft.

Wolfram Littich: Wir haben neben den Versicherungen ein riesiges Asset-Management und einen Veranlagungsbedarf für das eigene Geld. In der Schadens- und Unfallversicherung muss man Geld vorhalten, weil es ja sein kann, dass auf einmal 15 Industriegebäude gleichzeitig abbrennen. In der Lebensversicherung hingegen haben wir langlaufende Verbindlichkeiten. Und während der langen Ansparungsphasen bildet sich ein riesiger Kapitalstock, für den wir wie jeder Investor die beste Veranlagungsform finden müssen. Die Gas Connect Austria (GCA) ist sicher eine der sinnvollsten davon.

Gerade die SPÖ warnte vor einem Ausverkauf der Infrastruktur. Für Sie überraschend?

Littich: Nein. Als Staatsbürger kann ich die Ängste nachvollziehen, wenn die Infrastruktur nicht mehr in den Händen derer ist, die sie nützen. Als Insider sage ich, sie sind nicht gerechtfertigt. Und das wollen wir auch zeigen, weshalb wir unseren Kauf auch als Showcase sehen. Er ist also zugleich eine große Chance für uns, wenn es zu weiteren Infrastrukturverkäufen in Österreich kommt . . .

Und Sie meinen, dann wird man froh sein, wenn die Allianz wieder zugreift?

Littich: Ja, wenn man dann gesehen haben wird, dass wir mit der Investition ins Gasnetz gut umgegangen sind. Unser kompetitiver Vorteil ist, wir können mit unserem Finanzvolumen Angebote am Stück kaufen. Und noch was: mit dem Kerngeschäft der Versicherung haben wir in Österreich 1,1 Millionen Kunden. Das Wichtigste ist Reputation. Wir werden also bei der Gasconnect nichts tun, was unsere Reputation auch nur irgendwie gefährdet. Und das ist eine gute Voraussetzung, um Infrastruktur an uns zu verkaufen und nicht an einen Infrastrukturfond in Australien, der auf der Suche nach maximaler Rendite sein Investment rasch abstößt.
Christoph Holzer: Solche Investoren wie wir, die einen langfristigen Ansatz haben, sollten eigentlich überall mit offenen Armen aufgenommen werden. Denn wir haben weiteren Investitionsbedarf. Nehmen Sie England. Dort haben wir ein bestehendes Zugportfolio von über 4000 Passagierzügen gekauft. Die laufen nicht ewig. Wir werden also das Portfolio nicht herunterwirtschaften, sondern in neue Züge investieren.

Sie investieren in vielen Ländern. Ist Österreich bei der Privatisierung von Infrastruktur ängstlicher oder restriktiver als andere?

Holzer: Ja, schon. Gerade in England ist man Jahre, vielleicht Jahrzehnte in der Privatisierung voraus. Es gibt viele gute Beispiele, dass der Staat oder staatsnahe Firmen nicht die besten Eigentümer für Infrastruktur sind. Nehmen Sie den Berliner Flughafen: In der Privatwirtschaft könnte man einen solchen Verlauf dieses Projekts niemals verantworten.

Wie auch immer: Sie jedenfalls wollen immer nur Minderheiteneigentümer sein. Warum?

Holzer: Zum einen haben wir keine strategischen Interessen. Als Versicherungskonzern wollen wir bei der GCA operativ gar nicht stark eingreifen, weil es nicht unser Kerngeschäft ist. Uns geht es um ein gut investierbares Cashflow-Profil, das eine adäquate Verzinsung über 20 bis 30 Jahre abgibt. Zum anderen will die Allianz ja nicht Pipelines, Abwassertunnel oder 4000 Passagierzüge in England auf ihrer Bilanz konsolidieren. Besitze ich sie zu 100 Prozent, müsste ich das tun. Wir halten meist Beteiligungen bis zu 50 Prozent, um das Investment doch in eine bestimmte Richtung steuern zu können.

Die SPÖ-Politikerin Brigitte Ederer plädiert dafür, dass der Staat, also die Öbib, die verbleibenden 51 Prozent OMV-Anteile an der Gasconnect übernimmt. Wäre es Ihnen egal, ob Ihr Partner künftig Öbib statt OMV heißt?

Littich: Wir stehen neutral dazu. Letztlich geht es um die politische Entscheidung, welchen Einfluss der Staat direkt haben soll. In der Diskussion hieß es immer, er soll das Gasnetz behalten. Er besaß es aber auch bisher nicht, sondern die OMV. Und an der OMV hat der Staat einen Minderheitenanteil.

Sagen Sie uns – auch als ehemaliger OMV-Aufsichtsrat – eines: Wenn die Gasconnect langfristig so stabil und lukrativ ist, warum verkauft dann die OMV überhaupt 49 Prozent, es sei denn, es geht ihr nur darum, momentane Finanzlöcher zu stopfen?

Littich: Das ist etwas, was Sie Herrn Seele (OMV-Chef, Anm.) fragen müssen.

Mit dieser Antwort haben wir gerechnet.

Littich: Wenn der Eigentümer sagt, er hat sich strategisch für den Verkauf entschieden, dann muss er uns seine Strategie nicht nachweisen. Die OMV hat eine Strategie, davon bin ich überzeugt.

Holzer: Ich glaube, es ist auch im Sinn des Dritten Energiepakets der EU (Gasproduzent und Pipelinebetreiber darf nicht ident sein, Anm.). Der Verkauf ist nichts Ungewöhnliches, wenn man sich international umsieht. Die deutschen Versorger Eon oder RWE haben ihre Netze in den letzten Jahren verkauft.

Ja, weil sie auch dringend Geld brauchten.

Holzer: Jedes Unternehmen trifft eine strategische Entscheidung aus unterschiedlichen Gründen.

Warum haben Sie sich für den GCA-Kauf mit dem Netzbetreiber Snam zusammengetan?

Holzer: Unser Ziel ist es, langfristige Partnerschaften sowohl mit Finanzinvestoren als auch mit Strategen zu knüpfen. Die Snam ist in Österreich an der zweiten großen Gasleitung TAG mit über 84 Prozent investiert. Sie kennt den Markt und die Regulierung sehr gut.

Welche Synergien sind angedacht – auch über die Grenzen hinaus? Die Allianz ist ja auch am tschechischen Gasnetz beteiligt.

Littich: Wie haben keine Gasstrategie, sondern eine Investmentstrategie. Wir haben weltweit über 700 Mrd. Euro zu veranlagen. Wie macht man das in Zeiten von Nullzinsen? Was uns wirklich beschäftigt, ist die Zinsentscheidung der Bank of Japan. Über das reden wir in der Vorstandssitzung. Unser Kernproblem ist, wie veranlagen wir über die nächsten 20 Jahre. Mit einem Windkraftwerk und einer Gasconnect lösen wir es nicht. Wir wollen in Österreich sieben Mrd. Euro investieren. Wenn wir Anteile an der GCA kaufen, hat das auf die Gesamtrendite einen Einfluss, aber erst bei der vierten Kommastelle.

Es ist schon interessant: Sie betonen, keine Gasstrategie zu haben. Wissen Sie eigentlich, wie viele sich Gedanken darüber machen, welche Gasstrategie die Allianz verfolgt?

Littich: Ja, das weiß ich. Aber wissen Sie, unsere Welt ist eine einfachere. Wenn in Österreich jemand kommt, der ein Hochspannungsnetz mit 380 Kilovolt baut, werden wir uns auch ansehen, ob das für uns als Versicherung etwas ist.

Spekulieren Sie damit, dass die neue Führung in Österreichs Regulierungsbehörde E-Control milder agiert und vielleicht höhere variable Risikoprämien akzeptiert?

Holzer: Wir hätten nicht investiert, wenn wir nicht glauben, dass Österreich – auch wirtschaftspolitisch und regulatorisch – ein interessanter Markt ist. Nichts ist schlimmer, als wenn man wie etwa in Spanien investiert, und dann werden die Tarife rückwirkend gekürzt. Dann ist das ganze Investment nach fünf Jahren nichts mehr wert. So wie wir es in Österreich einschätzen, agiert hier der Regulator professionell und transparent. Und das erhoffen wir uns auch vom neuen Vorstand.
Littich: Das Regulatorenrisiko nehmen wir und müssen wir nehmen, weil auf Pipelines und Stromnetzen immer ein Regulator sitzt. Dafür nehmen wir kein Baurisiko. Wir sind nun einmal keine Pipeline- oder Immobilienentwickler. Leider aus einem ganz faden Grund: Wir haben keine Ahnung davon. Deswegen kaufe ich mir die fertigen Immobilien mit einer geringeren Rendite.

Also, wenn wir Sie beide richtig verstehen: Mit dem Kauf der 49 Prozent war es das für Sie: Jetzt soll die OMV hinsichtlich der Entwicklung der Gasconnect einmal machen, denn sie werden schon wissen, was sie tun.

Littich: Nicht, die werden schon wissen. Die wissen, was sie tun, weil es total gescheite Leute sind und sie sehr wohl eine Strategie haben. Aber für uns war das ein Investment, und jetzt werden wir schauen, was das nächste Investment ist.

Steckbrief

Christoph Holzer
ist Direktor im Infrastruktur-Investment-Team der Allianz Capital Partners in München. Bevor er 2008 zur Allianz wechselte, war der gebürtige Österreicher Senior Consultant bei Pricewaterhouse-Coopers.

Wolfram Littich
ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender der Allianz Österreich. Zuvor war er Vorstand der Wiener Börse und der Bank Austria. Aus dem Aufsichtsrat der OMV schied er im Februar 2016 aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.