Offenbar auf Druck Pekings hat Thailand einem Hongkonger Demokratieaktivisten die Einreise auf dem Bangkoker Flughafen verweigert.
Peking/Bangkok. Eingeschüchtert wirkt der Hongkonger Demokratieaktivist Joshua Wong nicht. Dabei hat der 19-Jährige mehr als neun Stunden auf dem Flughafen in Bangkok in Polizeigewahrsam verbringen müssen. Und er konnte sauch nicht sicher sein, ob der Flug ihn wirklich in seine Heimatstadt Hongkong bringt. Vor einem knappen Jahr war ein Buchhändler aus Hongkong mit schwedischem Pass nämlich auch nicht von seinem Thailand-Urlaub zurückgekehrt. Wochen später tauchte er im chinesischen Staatsfernsehen auf – mit einem wahrscheinlich erzwungenen Geständnis. „Ich wurde illegal festgehalten“, beklagte sich Wong am Mittwochnachmittag nach seiner Ankunft auf dem Hongkonger Flughafen vor Journalisten. Die thailändischen Behörden seien nicht imstande gewesen, den Grund der Einreiseverweigerung zu erklären. Sie hätten aber eine schwarze Liste erwähnt.
Wong war am späten Dienstagabend mit einem Linienflug von Hongkong nach Bangkok gereist. Er wollte auf Einladung einer Studentenorganisation der Chulalongkorn-Universität über die Demokratieproteste in Hongkong referieren. Doch der Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak von der Chulalongkorn-Universität, der Wong beim Flughafenausgang empfangen wollte, wartete vergeblich. Ein Vertreter der Einwanderungsbehörde bestätigte später, dass eine Anweisung zur Festnahme Wongs vorgelegen sei. Von wem die Anweisung komme, beantwortete der Behördenvertreter freilich nicht.
Im Lauf des Tages wiesen Beamte auf dem Bangkoker Flughafen aber auf chinesische Diplomaten hin, und Premierminister Prayuth Chan-ocha sagte verklausuliert: „Wongs Ausweisung ist eine Angelegenheit Chinas, nicht Thailands.“
Haft blieb ihm bisher erspart
Wong ist ein Wortführer der Hongkonger Demokratiebewegung. Vor zwei Jahren hatte sich der Teenager an die Spitze der Demonstranten gestellt, die in wochenlangen Protesten von der chinesischen Führung in Peking freie Wahlen forderten.
Hongkong war bis 1997 britische Kronkolonie. Den Bürgern wurde nach der Rückgabe an die Volksrepublik für weitere 50 Jahre Meinungsfreiheit und ein eigenes politisches System mit demokratischen Rechten zugesichert. Die chinesische Führung in Peking unterläuft diese Zusage nach Ansicht vieler Hongkonger Demokratieaktivisten immer stärker. Deswegen kommt es in Hongkong vermehrt zu Protesten. Erst im August wurde Wong wegen Teilnahme an illegalen Versammlungen zu Sozialarbeit verurteilt. Eine Haftstrafe blieb ihm zumindest erspart.
In Bangkok wollte Wong an einer Veranstaltung zum 40. Jahrestag des Thammaset-Massakers teilnehmen: Thailändische Sicherheitskräfte und Bürgerwehren hatten im Oktober 1976 die Proteste linker Studenten blutig niedergeschlagen. Mindestens 46 Menschen kamen damals ums Leben. Anschließend putschte das Militär und beendete eine kurze Phase der parlamentarischen Demokratie in Thailand.
Auch Thai-Militär hat Interesse daran
Nach heftigen politischen Auseinandersetzungen wird das Königreich nach einem erneuten Putsch seit 2014 wieder vom Militär regiert. Ist es in den Jahren zuvor Zufluchtsort vieler chinesischer Dissidenten gewesen, kooperiert die Militärregierung nun eng mit der Führung in Peking, die bekanntlich mit harter Hand gegen Unliebsame vorgeht. Auf Druck Pekings schob die thailändische Regierung im vergangenen Jahr zwei chinesische Dissidenten und mehrere Dutzend uigurische Muslime nach China ab. Uiguren sind eine ethnische Minderheit und werden in der Volksrepublik ebenfalls politisch verfolgt.
Der Südostasienvertreter der UN-Menschenrechtskommission, Laurent Meillan, kritisierte Thailands Einreiseverbot für Wong als unnötig. Schließlich sei Wong wegen der Teilnahme an einer friedlichen Veranstaltung gekommen. Studenten der Chulalongkorn-Universität trafen sich am Mittwoch spontan zu einer Kundgebung und forderten Wongs Freilassung. Studentenaktivist Netiwit Chotipatpaisal geht zwar davon aus, dass China hinter der Aktion steht, schließt aber auch nicht aus, dass die thailändische Regierung aus eigenen Stücken Wongs Einreise verhindert habe. Schließlich sei es ja auch nicht in ihrem Interesse, dass ein prominenter fremder Aktivist über Demokratie referiere.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2016)