„USA wollen mit Russen kooperieren“

Hoyt Brian Yee
Hoyt Brian Yee(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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US-Unterstaatssekretär Yee betrachtet Syrien-Gespräche mit Russland als bloß vorübergehend unterbrochen und bewundert Österreichs humane Haltung in der Flüchtlingskrise.

Die Presse: Das Gespenst vom neuen Kalten Krieg geht um. Wie dramatisch sind die Spannungen zwischen Russland und den USA?

Hoyt Brian Yee: Wir arbeiten mit den Russen in Bereichen zusammen, in denen wir gemeinsame Interessen haben, ob – wie in der Vergangenheit – bei der Abrüstung, auf dem Balkan oder beim Atomabkommen mit dem Iran. Die USA wollen sicherlich auch weiterhin mit Russland und anderen Staaten kooperieren, um den Konflikt in Syrien zu beenden.

Trotzdem haben die USA die Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand in Syrien abgebrochen.

Wir suspendierten den Dialog, weil Russland seinen Verpflichtungen nicht nachkam.

Unter welchen Umständen würden die USA den Syrien-Dialog mit Moskau wieder eröffnen?

Russland müsste, wie versprochen, seine Bombardements auf zivile Ziele einstellen, vor allem in Aleppo. Es muss humanitären Konvois Zugang ermöglichen. Die Kooperation mit Russland ist nur vorübergehend unterbrochen. Übrigens nicht vollständig. Unsere Militärs sind weiterhin in Kontakt, um einen Zusammenprall zu verhindern. Wir brauchen eine politische Lösung in Syrien, davon sind alle überzeugt. Auch Russland will nicht, dass der Konflikt in Syrien ewig weitergeht.

Russland will eine russische Lösung in Syrien.

Jeder will eine Lösung, die den eigenen Interessen entspricht. Ich hoffe, wir finden eine, die kompatibel ist mit den Interessen Russlands und jenen der USA.

Was steckt hinter Russlands forscher Außen- und Sicherheitspolitik? Was will Putin?

Ich wünschte, ich wüsste die Antwort auf diese Frage. Es ist nicht völlig klar, was Putin will.


Sie trafen in Wien Vertreter des Verteidigungsministeriums und des Außenamts. Worauf haben Sie sich verständigt?

Wir wollen künftig zumindest einmal pro Jahr bilaterale Konsultationen abhalten. Das nächste Treffen soll in Washington stattfinden. Österreich und die USA arbeiten am Balkan und in Afghanistan zusammen. Wir hoffen auf verstärkte militärische Kooperation im Kampf gegen Terror, gegen den IS.

Was könnte Österreichs Beitrag im Kampf gegen Terror sein?

Unsere Militärs könnten zusammenarbeiten, um irakische Streitkräfte zu trainieren. Aber wir wollen auch Informationen besser austauschen als bisher: Wer kommt ins Land, wer verlässt es. Wir haben ein gemeinsames Interesse, uns über Verdächtige oder verurteilte Verbrecher auf dem Laufenden zu halten. Wir haben aus den Terroranschlägen vom 11. September gelernt. Das Hauptproblem war nicht der Mangel an, sondern der Austausch von Information.

Bereitet es Ihnen Kopfzerbrechen, dass viele Migranten und Flüchtlinge im Vorjahr bei der Einreise monatelang nicht registriert wurden und sich auch manche Terroristen eingeschlichen haben? Attentäter von Paris kamen über die Balkanroute.

Natürlich machen wir uns Sorgen, dass Menschen mit schlechten Absichten die Grenzen überqueren: Terroristen und auch Mitglieder des organisierten Verbrechens. Wir empfehlen dringend, die Grenzübertritte zu registrieren. Aber das ist normale Prozedur in Europa.

Diese Prozedur wurde im Vorjahr suspendiert.

Aus verständlichen Gründen. Wir bewundern die humane Haltung, die Österreich während der größten Migrationswelle seit dem Zweiten Weltkrieg eingenommen hat. Österreich stellt die Menschenrechte, Sicherheit und humanitären Bedürfnisse der Flüchtlinge und Migranten in den Vordergrund. Das ist nicht überall der Fall. Es gibt Länder, die Mauern errichten und weniger freundlich sind.

Spielen Sie auf Ungarn an?

Ungarn hat deutlich gemacht, dass es nicht daran interessiert ist, Migranten zu haben. Jedes Land hat das Recht, für sich zu entscheiden.

Österreich hat seinen Kurs mittlerweile geändert und die Schließung der Balkanroute forciert.

Das ist eine sich weiter entwickelnde Herausforderung. Die Antworten darauf müssen sich der Realität anpassen. Der Migrationsfluss hat sich verlangsamt, auch aufgrund der Maßnahmen, die EU-Mitgliedstaaten und die EU ergriffen haben, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei etwa.

Irritieren Sie Europas Schwierigkeiten, seine Außengrenze zu schützen?

Als Außenstehender muss ich sagen, dass Europa ziemlich effektiv bei der Kontrolle seiner Grenzen ist. Es ist nicht leicht, nach Europa zu kommen. Alle Länder, die einen freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Menschen wollen, sind verwundbar. Im Gegensatz zu autoritären Regimen, die sich von allem abschotten wollen.

Wie sehr schwächt der Brexit Ihrer Meinung nach die EU?

Wir glauben an ein starkes Europa. Es ist unser wichtigster Partner. Der Brexit erfordert zweifelsohne eine Reorganisation und harte Entscheidungen, wie das Vereinigte Königreich als enger Partner assoziiert bleiben kann. Für die USA ist essenziell, dass die EU die strukturelle Herausforderung so meistert, dass sie stark und vereint bleibt. Wir befürchten nicht, dass Europa auseinanderbricht.

Aus Österreich haben sich, gemessen an der Gesamtbevölkerungszahl, überproportional viele Extremisten Terrorgruppen wie dem IS angeschlossen, um in Syrien oder dem Irak zu kämpfen. Ist Österreich auch ein Ziel für Terroranschläge?

Jedes europäische Land, das sich der Demokratie, den Menschenrechten und individueller Freiheit verpflichtet fühlt, ist ein Ziel für Terroristen. Kein Land ist immun dagegen. Österreich ist keine Ausnahme. Jedes Land muss auf Attacken vorbereitet sein, wie wir sie in Belgien, Frankreich, den USA, Spanien, Großbritannien und anderswo gesehen haben.

Haben Sie nach Ihren Gesprächen in Wien den Eindruck, dass Österreich vorbereitet ist?

Absolut. Ich bin beeindruckt von der Ernsthaftigkeit, mit der Österreichs Behörden mit dieser Gefahr umgehen.

ZUR PERSON

Hoyt Brian Yee ist seit August 2013 US-Unterstaatssekretär für Europäische und Eurasische Angelegenheiten. Davor arbeitete er an den US-Vertretungen in Zagreb, Kabul, Thessaloniki, Podgorica, Port-au-Prince und Paris. Er besuchte am Dienstag und Mittwoch Wien.

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