Sozialprojekt: Umdasch lässt Flüchtlinge Möbel bauen

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Wie Topdesigner, der Schalsystemkonzern und Asylwerber Möbel bauen. Und warum Umdasch da auch "aus unternehmerischen Gründen" mitmacht.

Man könnte mit diesen Möbeln auch ein neues Lokal in Wien Neubau oder Mariahilf einrichten. „Industrial Chic“ hieße das dann, und weil das dort gerade recht modern ist, wundert es einen auch nicht, dass Harald Gründl vom Design- und Architekturbüro Eoos erzählt, dass es schon zahlreiche Anfragen gab, wo man diese Möbel aus den markanten gelben Doka-Platten denn kaufen könne.

Kann man nicht, noch nicht. Noch werden die Möbel, die hier, in der Werkstatt im Keller des Flüchtlingshauses in Wien Erdberg entstehen, gebraucht. Die Asylwerber bauen die Möbel selbst, die in der Unterkunft für 600 Menschen in der früheren Zollamtsschule genutzt werden. Konzipiert hat das Projekt das Designbüro Eoos, das üblicherweise für Premiumhersteller wie Bulthaup arbeitet; als Beitrag zur heurigen Architektur-Biennale in Venedig. „Unsere Frage war, was können Kunst und Design beitragen? Hier war die Herausforderung unter anderem, dass die Leute schnell selbstständig werden, selbst kochen können“, sagt Gründl.

Designerstück zum Nachbauen

Entstanden sind 18 Möbelstücke, die recht einfach getischlert werden können. Die Pläne für diese – vom Kühlschrankmöbel, Kochtisch, Küchenpaneel bis zum Tischtennistisch – wurden als „Social Furniture“ quasi als Open-Source-Pläne ins Internet gestellt (oder sind als Katalog zu kaufen), diese kann also jeder nachbauen.

In Erdberg werden sie von je einem Team an Asylwerbern gebaut, die sich wöchentlich für die Arbeit eintragen können. Begehrte kleine Jobs, sagt Helmut Schabschneider von der Caritas, der die Werkstatt leitet, gerade jene, die schon monatelang herumsitzen, würden sich durch manuelle Arbeit positiv entwickeln. Ausgestattet wurde die Werkstatt von Doka, der Schalsystemsparte von Umdasch. Andreas Ludwig, der Vorstandsvorsitzende von Umdasch, habe nicht lange überlegt, als die Anfrage der Caritas kam. Schließlich gibt es da bereits eine gute Zusammenarbeit, die Caritas betreibt eine Unterkunft für Asylwerberinnen und Kinder in Wien Auhof, die von Umdasch zur Verfügung gestellt wurde.

In die Werkstatt nach Erdberg – Harald Gründl spricht von der „weltweit ersten Möbelfabrik in einem Flüchtlingshaus“ – liefert Doka nun also die gelben Platten. 300 Möbel sind nun schon fertig, 500 sind gerade in Bau. 100 Asylwerber wurden in der Kellerwerkstatt schon beschäftigt. Bis Jahresende sollen jedenfalls 2200 Quadratmeter der Holzplatten verbaut werden – wenn die Ausstattung für Erdberg fertig ist, könnte auch an andere Häuser geliefert werden. In Erdberg entsteht damit auch eine kleine unternehmerische Struktur. So wurde etwa ein kleiner Friseursalon eingerichtet, in dem der Iraker Hadi Marzaei nun Haare schneidet, von Asylwerbern gebaut – und Hadi Marzaei, gelernter Friseurmeister, sieht Chancen, nach seinem Verfahren in seinem Beruf in Österreich Fuß zu fassen.

Engagement als Investment

„Wenn daraus Unternehmertum entsteht, schafft das Beschäftigung und Wohlstand und ist mehrfach sinnvoll“, sagt Ludwig. Für ihn gehe es in dem Projekt zwar um gesellschaftliche Verantwortung, aber „mein Ansatz ist es immer, so etwas auch unternehmerisch zu gestalten. Integration ist ein zutiefst unternehmerisches Thema. Wir brauchen gut ausgebildete Mitarbeiter, um uns behaupten zu können. Daher sehen wir so ein Engagement als Investment in unsere Zukunft.“

Und kurzfristig gesehen motiviert so ein Engagement auch die eigenen Mitarbeiter. Diese hätten sich im Projekt engagiert, und „es ist auch ein Schuss Egoismus dabei: Meine Leute wollen das von uns, es macht uns als Arbeitgeber attraktiv, wenn wir nicht nur jammern, wenn wir den Mitarbeitern vermitteln, dass wir Werte leben, ihnen die Message ,we care‘ vermitteln.“ Und sollte sich später, wenn die Asylverfahren abgeschlossen sind, einer, der schon in der Werkstatt gearbeitet hat, in Amstetten bewerben, sei jeder „herzlich eingeladen. Gute Leute haben kein Taferl.“

In Wien erhalten die Arbeiter in der Werkstatt 3,50 bis fünf Euro „sozialtherapeutisches Taschengeld“ pro Stunde. Asylwerber für Arbeit zu zahlen ist rechtlich heikel. Wegen der Rechtslage sei es auch schwierig, die gelben Möbel – wie oft angefragt – zu verkaufen.

Umdasch-Chef Ludwig spricht sich da, in der Debatte um Stundenlohn, für Pragmatismus aus. „Ich hätte einen viel unbürokratischeren Zugang: Lasst die Leute in den Gemeinden in Eigenregie tun. Dort, wo Leute direkt zusammenkommen, funktioniert es ja.“ [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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